Art & Culture

"Bourse de Commerce" in Paris: Pinaults Kunstsammlung der Superlative

Die Stadt an der Seine ist um ein neues Wahrzeichen reicher: Mit der „Bourse de Commerce“ hat François-Henri Pinault der Kunst und nicht zuletzt sich selbst ein Denkmal gesetzt.
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Von einem „neuen Epizentrum der Kunst und Kultur“ ist in Fachmedien die Rede, wenn man von dem langersehnten und zweifellos relevantesten Museumsprojekt der vergangenen Jahre spricht.
Es steht außer Frage – die Kunstwelt späht kollektiv nach Paris! Was dort derzeit an der Kreuzung zwischen der Rue du Louvre und der Rue de Viarmes entsteht, ist mit einem herkömmlichen Museumsbau nicht gleichzusetzen: Die historischen Hallen der „Bourse de Commerce“ hat nämlich Geschäftsmann François Pinault als jüngste Ausstellungsfläche für seine spektakuläre Sammlung auserkoren. Nicht minder beeindruckend soll daher auch das neue Bauwerk ausfallen, und die Eckdaten des monumentalen Projekts lesen sich wie eine Auflistung an Superlativen: 10.500 Quadratmeter Fläche im Herzen von Paris werden künftig zehn Museumstrakte und ein Auditorium mit 284 Sitzen beherbergen. Gerade die reiche Historie der Substanz stellt das Architekten-Team rund um den japanischen Architekten und Pritzker-Preisträger Tadao Ando dabei vor etliche Herausforderungen. Ursprünglich als Privatresidenz für Katharina von Medici erbaut, zeigt alleine die Fassade zahlreiche Ergänzungen der vergangenen Epochen – besonders bemerkenswert ist auch die Kuppel aus Metall und Glas, die seit 1812 das Bauwerk krönt, das im Übrigen erst ab 1889 und bis 1998 der namensgebenden Bestimmung zugeführt wurde.

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Hoch dekoriert: Pritzker-Architekturpreisträger Tadao Ando ist, in Kooperation mit Lucie Niney und Thibaut Marca („NeM agency“) und Pierre-Antoine Gatier, als Architekt für die Restaurierung und Ergänzungen des klassizistischen Baus aus dem 18. Jahrhundert hauptverantwortlich. Das Interieur stammt von Ronan und Erwan Bouroullec.

Im Einklang der Epochen

"Die Idee war, einen historischen Ort zu revitalisieren: die Erinnerung zu ehren und gleichzeitig eine andere Struktur nach dem Vorbild der ineinander verschachtelten russischen Puppen einzubringen, eine Komposition, die einen lebendigen Dialog zwischen dem Neuen und dem Alten herstellt und einen Raum voller Leben schafft, wie es sich für einen Ort gehört, der der zeitgenössischen Kunst gewidmet ist“, heißt es dazu von Ando, der mit viel Feingefühl Historisches und Zeitgenössisches verbindet. Dass Denkmalschutz und gebührender Respekt gegenüber seinen Vorgängern (immerhin haben von Nicolas Le Camus de Mézières über François-Joseph Bélanger bis hin zu Henri Blondel zahllose Architekten von Weltruhm ihre Handschrift hinterlassen) der Vision zwar ein Korsett vorgeben, das sich nur durch kreative Zugänge lockern lässt, legt schon die Anspielung auf die  russischen Matrjoschkas nahe. Herzstück des Komplexes ist nämlich ein Zylinder aus Beton mit 29 Metern Durchmesser, der sich auf fünf Ebenen aufteilt und einen Großteil der Ausstellungsfläche umfasst. Ob der Feinheiten und Raffinesse überrascht es nicht, dass auch die Kosten der Umbauarbeiten astronomisch sind – kolportierte 170 Millionen sollen in das Projekt der „Bourse de Commerce“ geflossen sein. Neben den beiden Museen in Venedig – dem „Palazzo Grassi“, 2005 von der Fiat Group erworben, und dem „Punta della Dogana“, bei dem man sich gegen die „Solomon R. Guggenheim Foundation“ durchsetzen konnte und das 2009 eröffnet wurde, handelt es sich bereits um die dritte Ergänzung und zweifelsfrei das Prunkstück, das nunmehr in wechselnden Ausstellungen die zeitgenössische Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich machen soll.

Der Mann hinter dem Monument

Schon der Name lässt erahnen, dass monetäre Mittel eine eher untergeordnete Rolle spielen dürften. Auf rund 45 Milliarden Dollar schätzte das Wirtschaftsmagazin Forbes Anfang des Jahres das Vermögen des 84-jährigen Geschäftsmanns François Pinault und seiner Familie. War zu Gründungszeiten noch Baumaterial das Kerngeschäft der 1963 gegründeten Firmengruppe, zählt das Unternehmen heute unter der Führung von Pinaults Sohn, François-Henri"Pinault, zu den Marktführern im Luxussegment und kann im Portfolio auf Marken wie Gucci, Alexander McQueen und Saint Laurent verweisen. Auch das Auktionshaus Christie’s schmückt das Unternehmen und führt dabei nahtlos zu der Passion des Franzosen: der Kunst!

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Im Dialog: Die in einer Fresko- Technik verzierten Mauern stehen dem neuen Herzstück des Museums-Palastes gegen- über – einem Betonzylinder von imposanten Ausmaßen.

"Nur ein Verrückter wie ich kann so schnell beschließen, (zeitgenössische Kunst, Anm. d. Red.) zu kaufen", gab Pinault Senior in einem seiner seltenen Interviews zu Protokoll und wird ob seiner Kaufkraft in den Medien gerne als "Mega-Collector" hofiert. Mindestens 5.000 Werke (die Schätzungen variieren und gehen teils von bis zu 10.000 Werken aus), darunter Arbeiten von Louise Bourgeois, Jeff Koons, Damien Hirst, Urs Fischer und Cindy Sherman, umfasst die Sammlung – kurzum: Blue-Chip-Werke der obersten Liga, die im großen Stil erworben werden. Kaum verwunderlich, dass Pinault damit regelmäßig unter den Top 10 der wichtigsten Kunstsammler rangiert, schließlich wird der Gesamtwert der in seinem Besitz be!ndlichen Werke auf rund 29 Milliarden Dollar geschätzt. Welche davon genau in Paris ausgestellt werden, ist aktuell noch ein gut gehütetes Geheimnis, das erst zur Eröffnung (aufgrund der Covid-19-Beschränkungen auf Frühling/ Sommer 2021 verlegt) enthüllt werden soll. Fest steht, dass es in der „Bourse de Commerce“ nach dem Vorbild der beiden Häuser in Venedig auch in Paris keine Dauerausstellungen geben soll, sondern die Flächen mit stets wechselnden Programmen bespielt werden sollen. Zwar sind auch Kooperationen mit dem Centre Pompidou geplant, jedoch legt der Umfang der Sammlung nahe, dass wohl auch ohne Zusammenarbeit mit anderen Museen ausreichend Material für Jahrzehnte vorhanden ist.

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Über die Privatperson Pinault ist wenig bekannt. Der Gründer der Kering Group hält sich weitgehend bedeckt, ist aber durch seine Passion für zeitgenössische Kunst immer wieder Thema der Fachpresse, gilt der Magnat als einer der größten Sammler von zeitgenössischen Blue-Chip-Werken.

Denkmäler für die Ewigkeit

"Mit der Gründung dieses neuen Museums schlage ich das nächste Kapitel meines kulturellen Projekts auf", heißt es dazu von Pinault, dessen erklärtes Ziel es sei, seine Leidenschaft für zeitgenössische Kunst mit einem möglichst breiten Publikum zu teilen. Damit !ndet er sich in bester Gesellschaft – die Schönen und (Erfolg-) Reichen schmückten sich beziehungsweise ihre Residenzen schon historisch betrachtet stets gerne mit Kunst, und unter den Mode- und Beauty-Dynastien zählt das Sammeln beinahe schon zum guten Ton. Man denke nur an die Stiftungen der Familien Lauder, Maramotti (den Eigentümer von Max Mara) oder Bernard Arnault. Wobei Pinault und seine Sammlung gerade zu Arnault immer wieder gerne in Konkurrenz gesetzt wird – schließlich hatte dieser sich mit der Eröffnung der „Foundation Louis Vuitton“ bereits 2014 im Stadtbild von Paris verewigt. Ebenfalls kein unwesentlicher Motivationsgrund hinter dem kulturellen Engagement scheint dabei auch das Vermächtnis an die Nachwelt zu sein. Sammlern wie Getty, Guggenheim oder Beyerle sind damit in die Geschichte eingegangen und haben ihre Namen bis in die Ewigkeit mit der Kunst verknüpft. Eine elitäre Liste, bei der sich Pinault spätestens nach der Eröffnung der „Bourse de Commerce“ ebenfalls im obersten Bereich wissen darf.

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