Psychologie

Depressionen - und was man dagegen tun kann

Die Zahl der Menschen, die aufgrund psychischer Erkrankungen Hilfe in Anspruch nehmen, steigt. Vor allem Frauen leiden häufiger. Diplom-Psychologe Robert Hohe erklärt die Gründe und weshalb Psychotherapie so wichtig ist. 

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Jeder Zweite leidet im Lauf seines Lebens an einer psychischen Erkrankung. Inwiefern hat sich die Psychotherapie in den vergangenen Jahren entwickelt und wie erfolgreich ist diese?

Robert Hohe: "In den letzten Jahren hat es vor allem stets mehr aktive Psychotherapeut:innen gegeben, 25% mehr als 2015. Ich finde dies eine absolut wichtige Entwicklung, die auch zeigt, dass die Politik erkannt hat, wie wichtig Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen in unserer aktuellen Zeit sind. Die Zahl psychischer Störungen hat auch durch Corona nochmal deutlich zugenommen. Natürlich ist vieles noch extrem verbesserungsbedürftig, vor allem wenn man die teils unmenschlich langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz [wenn durch die Krankenkasse finanziert wird, Anm.] kennt. Zumindest ist es aber ein Schritt in die richtige Richtung."

Was können Sie denn über die Wirkung von Psychotherapie sagen?

Robert Hohe: "Der Erfolg bzw. die Wirksamkeit von Psychotherapie ist nachgewiesen. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass es bei bis zu 80% der Klient:innen zu einer Besserung der Symptome oder einer vollständigen Heilung kommt. Es lohnt sich also immer in Therapie zu gehen."

Frauen leiden häufiger an psychischen Erkrankungen. Woran liegt das? Was sind Risikofaktoren, die dazu führen?

Robert Hohe: "Das trifft bei der überwiegenden Anzahl an psychischen Störungen in der Tat zu. Man weiß schon lange, dass Frauen eine höhere Wahrscheinlichkeit besitzen, an einer psychischen Störung zu erkranken. Das ist vor Allem bei Essstörungen, Angststörungen oder depressiven Erkrankungen der Fall. Frauen haben hier oft eine doppelt so hohe Prävalenz als Männer, teilweise sogar noch mehr. Für die Gründe, warum es solche großen Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, gibt es verschiedene Theorien. Ein Grund ist ein erlerntes Rollenverhalten in der Gesellschaft, welches Frau von klein an gelehrt bekommt. So haben junge Frauen oder Mädchen zum Beispiel oft ein anderes Verhältnis zu ihrem Körper als Männer. Dann gibt es noch biologische Unterschiede, Unterschiede in den Hormonen spielen eine Rolle. Interessant ist, dass Jungen, wenn sie noch klein sind, anfälliger gegen Stress sind als Mädchen. Dies ist bis zum Alter von 12 Jahren der Fall und man weiß auch, dass Jungen bis zum Ende der Grundschule mehr an psychischen Störungen leiden als Mädchen. Dies kehrt sich dann bis zum Erwachsenenalter um."

Was bedeutet das für die Entwicklung von Depressionen bei Frauen?

Robert Hohe: "Das bedeutet, bei Frauen sind eher belastende Ereignisse im Jugend-oder jungen Erwachsenenalter für die Entwicklung psychischer Störungen entscheidend, als Ereignisse, die im Kindesalter passieren. Hier gibt es allerdings noch viel Arbeit, die getan werden muss von der Seite der Forschung, vor allem wenn es um Dinge wie Prävention etc. geht. Auch gesellschaftliche Aufklärung über das Krankheitsbild Depression seitens der Politik spielt eine wichtige Rolle."

"Männer zeigen häufiger Störungen durch Substanzgebrauch oder dissoziale bzw. antisoziale Persönlichkeitsstörungen."

Was ist der signifikante Unterschied von Männer von Frauen bei psychischen Störungen?

Robert Hohe: "Männer zeigen häufiger Störungen durch Substanzgebrauch oder dissoziale bzw. antisoziale Persönlichkeitsstörungen. Das sind Leute, die gesellschaftliche Regeln, Normen oder Moral missachten, um ein gewisses, für sie vorteilhaftes Ziel zu erreichen ohne dabei groß emphatische Gefühle zu verspüren. Manche Psycholog:innen behaupten, Ex-US-Präsident Donald Trump leide an so einer Störung. Andere Beispiele hierfür sind Mafia-Bosse, aber zum Beispiel auch jemand wie der russische Präsident Vladimir Putin erfüllt meines Erachtens diese Kriterien. Ich denke, man kann dies auch so in unserer Gesellschaft gut beobachten. Das sind auch Leute, die schnell frustriert sind, umgangssprachlich eine kurze Zündschnur haben und zum Beispiel auch gegen ihren Partner:innen oder Kinder aggressiv werden. Danach fehlt oft jegliches Schuldbewusstsein."

Wie sieht eine erfolgreiche Behandlung bei Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen bei Frauen aus?

Robert Hohe: "Bei der Behandlung der Depression kommt es natürlich erst einmal auf die Schwere der Depression an. Ist eine Depression stark ausgeprägt, geht es manchmal nicht anders als vorerst mit einer medikamentösen Behandlung - mit Antidepressiva - zu beginnen, um die Patient:innen erst einmal aus dem Schlimmsten herauszukriegen. Erst danach kann man mit einer Gesprächstherapie beginnen. Im Allgemeinen ist immer Gesprächstherapie zu empfehlen. Hier gibt es verschiedene Ansätze, wie zum Beispiel die Tiefenpsychologie oder die Verhaltenstherapie, wobei letztere die Art von Therapie ist, die mir am nähesten liegt. Das muss aber jede Person für sich selbst herausfinden."

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"Am Wichtigsten ist: sich so früh wie möglich in Therapie zu begeben! Auch wenn man noch nicht denkt, ein wirkliches Problem zu haben."

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Ab wann sollte man sich Hilfe suchen und sich an einen/eine Psychotherapeut:in wenden?

Robert Hohe: "Am Wichtigsten ist: sich so früh wie möglich in Therapie zu begeben! Auch wenn man noch nicht denkt, ein wirkliches Problem zu haben, und denkt mit seiner vielleicht depressiven Verstimmung selbst klar zu kommen, kann dadurch ein negativer Verlauf vermieden werden. Oft sind Klient:innen verwundert, wie schnell es ihnen schon besser geht oder wie eine Gesprächstherapie viel angenehmer und viel weniger befremdlich ist als sie erwartet hatten. Ich sage immer, es ist wie eine kleine Box, in die man während der Stunde all seine Probleme hineinwirft und dann vorerst dort lässt, um beim nächsten Mal wieder weiter an ihnen zu arbeiten. Ich kann das nicht oft genug sagen, auch wenn es zum Glück in unserer Gesellschaft immer mehr zu einer Enttabuisierung von Psychotherapie kommt - an dieser Stelle gilt mein Dank auch Amerika, Social Media und Netflix, die sicherlich einiges zu dieser Entstigmatisierung beigetragen haben. Auch wenn Social Media natürlich für die Verbreitung einiger psychischer Probleme mitverantwortlich ist und vor allem bei Heranwachsenden ein gesundheitspsychologisches Risiko bahrt."

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Was sind Verhaltensstrategien für Frauen, um psychische Gesundheit zu fördern und Depressionen zu vermeiden?

Robert Hohe: "Hier gilt es, den Teufelskreis der Depression zu durchbrechen. Meist führt eine depressive Stimmung oder ein depressiver Gedanke zu einer negativen Erwartung oder einem negativen Selbstbild. Dies kann dazu führen, dass man anfängt, sich zurück zu ziehen oder auch Pläne absagt. Schnell trifft man sich gar nicht mehr mit seinen Freund:innen trifft und pflegt soziale Kontakte nicht mehr. Dadurch kommt es zu immer weniger positiven Erlebnissen im Alltag. Man sitzt oder liegt nur noch auf der Couch und ist mit seiner negativen Stimmung - im wahrsten Sinne des Wortes - allein zu Hause, um hier mal einen kleinen Dad-Joke einzubringen. Dieser Mangel an positiven Erlebnissen führt dann wiederum zu einer weiteren Verschlechterung, der ohnehin schlechten Stimmung. Dann kommt es zu immer depressiveren Gedanken und einem weiterem Rückzug."

Was hilft dann bei Depressionen schnell?

Robert Hohe: "Ein Verhaltensvorschlag wäre, dass man selber durch Aktion versucht, präventiv eine Depression zu vermeiden oder aus dieser auszubrechen. Heißt, sich zu überwinden, hinaus zu gehen, schöne Dinge zu tun und zu erleben. Auch wenn man im Moment lieber zu Hause geblieben wäre und sich zum 7. Mal alle Staffeln Friends anschauen wollte."

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Was sind Themen, die in Ihrem Bereich aktuell intensiver beforscht werden?

Robert Hohe: "Was ich persönlich ganz interessant finde, ist der Einbezug von Tieren in die Therapie, wie zum Beispiel ausgebildete Therapiehunde. Dass diese positive Effekte auf Klient:innen haben, wie zum Beispiel die Steigerung von Selbstbewusstsein von Personen mit einer geistigen Behinderung - dazu gibt es mittlerweile eine ganz gute Studienlage. Man weiß zum Beispiel auch, dass die alleinige Anwesenheit von einem Therapiehund in einem Raum zu einer Senkung des Blutdrucks führt und angstlösend wirkt. Vor allem Patienten, die an Angststörungen leiden oder auch traumatisierte Personen, profitieren von diesem Effekt natürlich sehr. Aber auch bei älteren Personen, oder Personen die an Demenz leiden, hat man schon positive Effekte durch die Arbeit mit Vierbeinern gefunden, die zum Beispiel sogar dazu führen können, dass weniger Medikamente benötigt werden. Du merkst schon, ich liebe Hunde. Ausschlusskriterium wäre natürlich eine Hundeallergie, dann ist es für die Person wahrscheinlich weniger angenehm. Aber ein Glück gibt es auch Hunde mit hypoallergenem Fell, wie beispielsweise der Pudel."

Dipl.-Psych. Robert Hohe, M.Sc. (TUM)

Dipl.- Psych. Robert Hohe, M.Sc. (TUM), Psychologe und Wirtschaftswissenschaftler, arbeitete u.a. als Forschungsassistenz an der Harvard Medical School in Boston und ist aktuell als Neuropsychologe an der Vitanas Klinik in Berlin tätig.

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Wenn Sie etwas belastet und Sie Hilfe brauchen, zögern Sie nicht sich diese auch telefonisch zu holen.

  • In Österreich ist dies möglich unter der kostenlosen Rufnummer 142. Hier haben Sie rund um die Uhr Möglichkeit mit jemandem zu sprechen.
  • In Deutschland können Sie ebenfalls unter der kostenlosen Rufnummer 0800/1110111 mit jemandem sprechen.
  • In der Schweiz haben sie die Möglichkeit bei der Organiation Die Dargebotene Hand unter der Telefonnummer 143 über Ihre Sorgen und Ängste zu erzählen.

Wenn man nicht sprechen möchte: Die Telefonseelsorgen bieten auch Hilfe über Chatfunktionen auf ihren Websites an.

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