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Die Wucht der Emotionen: Brit-Sensation Raye zwischen Befreiung und Self-Empowerment

Als Songwriterin für Superstars wie Beyoncé, Charli XCX, Little Mix oder Mabel hat Rachel Agatha Keen alias Raye bereits über eine Milliarde Streams für sich vereint. Auf ihrem Debütalbum „My 21st Century Blues“, das am 3. Februar 2023 erscheint, erzählt die 25-jährige Londonerin nun ihre eigene Geschichte – und rechnet dabei mit toxischer Männlichkeit, Misogynie und verzerrten Schönheitsidealen schonungslos ab.

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Das im Süden Londons gelegene Tooting ist das, was man wohl als typisches Arbeiterviertel bezeichnen kann. Ein wuseliger Schmelztiegel der verschiedensten Kulturen, in dem Asiashops und indische Restaurants das Bild dominieren, während der Glitz und Glam der britischen Hauptstadt Welten entfernt scheinen. Eine ungekünstelte, bodenständige Community, deren Down-To-Earth-Mentalität auch Raye geprägt hat. Schon ihr Vater war Keyboarder in einer Popband; durch ihren Großvater lernte sie die Magie von Blues und Soul kennen – stilistische Einflüsse, die sich heute im Sound der vierfachen Brit Award-Nominierten wiederfinden. 

Inspiriert von Black Music-Ikonen wie Ella Fitzgerald, Rihanna oder Jill Scott veröffentlichte die Tochter einer ghanaisch-schweizerischen Mutter und eines britischen Vaters 2014 ihren ersten selbst komponierten Track. Nach insgesamt sechs Minialben, unzähligen Singles sowie hochkarätigen Kollaborationen mit David Guetta, Major Lazer, Rita Ora und vielen anderen erscheint nun Rayes erster Fulltime-Longplayer. Auf „My 21st Century Blues“ berichtet sie von der Unterdrückung als weiblicher Act in der Musikindustrie, von falschen Idealen, Sucht und sexualisierter Gewalt. Aber auch vom Kampf gegen patriarchalische Strukturen und toxische Männlichkeit, von Selbstliebe und neu gewonnener Stärke.

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"Dieses Album ist der Abschluss einer chaotischen, dunklen Zeit in meinem Leben." - Raye

Nach mehr als acht Jahren erscheint nun Ihr Debütalbum. Warum erst so spät?

Raye: "Mein erster Song kam raus, als ich 15 war. Mit 17 unterschrieb ich meinen ersten Plattenvertrag und habe ab diesem Zeitpunkt andere Leute über meine Karriere entscheiden lassen. Man hat mir nie erlaubt, ein richtiges Album auf den Markt zu bringen, obwohl ich mein Talent mit immer wieder unter Beweis gestellt habe. Doch offenbar war ich ihnen trotz allem nicht gut genug. Nun habe ich endlich die volle kreative Kontrolle über meine Kunst. Und es fühlt sich unbeschreiblich gut an! Gerade als Frau hat man es bis heute viel schwerer im Musikgeschäft. Doch wie heißt es so schön: Was dich nicht umbringt, macht dich härter!"

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Foto: Callum Walker Hutchinson

Raye, Sie verarbeiten auf Songs wie „Hard Out There“ oder „Oscar Winning Tears“ extrem intime Erlebnisse und machen sich sehr angreifbar..

Raye: "Einerseits war es sehr schmerzhaft, aber auch erleichternd, über meine Erfahrungen sprechen zu können. Momentan empfinde ich es als ein sehr empowerndes Gefühl. Doch dazu ist Musik letztendlich gut: Sie ist ein Heilmittel und hat eine therapeutische Wirkung. Auch die häßlichste Sache der Welt kann sich durch die Musik in etwas Wunderschönes verwandeln. Ganz egal, um was es sich auch handelt. Ob negative Emotionen oder die Sorge, was gerade mit diesem Planeten passiert. Das alles kann ich in den Songs verarbeiten und meine ganz persönliche Art der Auseinandersetzung mit diesen Dingen finden. Die Songs sind mein ganz persönlicher Safe Space, um mich zu öffnen. Dieses Album ist der Abschluss einer chaotischen, dunklen Zeit in meinem Leben. Einer Zeit, in der so viel passiert ist und in der ich oftmals einfach nur versucht habe, so gut es geht zu überleben."

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Foto: Callum Walker Hutchinson

Was treibt Sie dabei an? Woher beziehen Sie Ihre Kraft?

Raye: "Ich glaube, ich habe es geschafft, mir mein inneres Kind zu erhalten. Sie ist eine überzeugte Optimistin, die das Leben liebt, die oft staunend durch die Welt geht und die sich von den schönen Seiten verzaubern und begeistern lässt. Gleichzeitig muss man Realistin bleiben und sich immer wieder selbst hinterfragen, ob man wirklich der Mensch ist, der man auch sein will. Wichtig ist auch der Wille, anderen zu vergeben, die mich schlecht behandelt haben. Sonst wird man irgendwann zu einer verbitterten und bemitleidenswerten Person. Meine Musik gibt mir Kraft, diesen Menschen in die Augen zu schauen und ihnen zu verzeihen, was sie mir angetan haben. Auch wenn es einige absolut nicht verdient haben. Doch das ist meine Art, mit gewissen Dingen abzuschließen und nach vorne zu schauen."

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Escapism by Raye


Das Album ist wie ein Musical konzipiert, inklusive einer Anmoderation und einem Abspann. Wodurch wurde diese ungewöhnliche Idee inspiriert?

Raye: "Es sollte etwas sehr Kopfkinohaftes haben. Das Publikum soll sich setzen, es wird dunkel im Saal und dann beginnt die Vorstellung. Ich bin absolut besessen von den Fifties und Sixties. Und dem alten Hollywood aus dieser Ära. Die großartigen Frisuren, die elegante Art, wie sich die Leute damals gekleidet haben. Und natürlich vom Jazz und Blues. Mein Vater und mein Großvater waren beide Musiker; mit 14 habe ich auf einem gemeinsamen Trip nach Amerika den Blues für mich entdeckt. Wir sind im Leihwagen durch den ganzen Süden gefahren und haben all diese legendären Plattenstudios besucht, in denen Künstler:innen wie Aretha Franklin, Etta James oder Billie Holiday aufgenommen haben. Ich liebe den Blues, der tolle Geschichten mit Seele und viel Gefühl vereint. Deswegen auch der Plattentitel "My 21st Century Blues'."

 "Ich spiele textlich und musikalisch gerne mit Brüchen und Widersprüchen." - Raye

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Foto: Sebastian Kampfhammer

„My 21st Century Blues“ klingt wie der Soundtrack zu Ihrem Leben!

Raye: "Das ist es auch. Ich habe ein Faible für große Dramen und große Gefühle. Wenn ich etwas fühle, dann mit ganzem Herzen und der vollen Wucht der Emotionen. Der Song 'Oscar Winning Tears' ist eines von diesen opulenten Stücken, die sich oberflächlich nach großem Hollywood-Kino anhören. Tatsächlich handelt der Text von einem Typen, der mich wirklich schlecht behandelt und mir weh getan hat. Später hat er sich dann unter Krokodilstränen die Augen aus dem Kopf geheult ... Ich spiele textlich und musikalisch gerne mit Brüchen und Widersprüchen. Vieles auf dem Album ist vom Sound her das genaue Gegenteil der Lyrics: Auf 'Body Dysmorphia' erzähle ich zu einem smoothen R `N B-Beat vom Hass auf den eigenen Körper, während der sexy Vibe von diesen unheimlichen, kratzenden Streichern aufgebrochen wird."

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Einen anderen ernsten Hintergrund haben auch die Songs „Black Mascara“ und „Ice Cream Man“, auf denen Sie sexualisierte Gewalt thematisieren.

Raye: "'Black Mascara' handelt von einem Erlebnis, bei dem mir jemand etwas in den Drink getan hat. Als ich später aufwachte, hatte ich eine stundenlange Panikattacke und musste still warten, bis der Typ eingeschlafen war, um mich langsam rauszuschleichen. In 'Ice Cream Man' spreche ich über den Ballast, den man als Frau durch so eine Erfahrung aufgeladen bekommt. Über das Gefühl, sich schmutzig zu fühlen und sich zu fragen, ob sich diese Flecken jemals abwaschen lassen. Und von den gleichen, immer wiederkehrenden Fragen: Warum gerade ich? Was soll ich jetzt machen? Wann hört das auf? Sexualisierte Gewalt ist ein Trauma, das für immer bleibt."


Wie gehen Sie heute damit um?

Raye: "Ich spreche darüber. Mir schießen jedesmal Tränen in die Augen, wenn ich den Song live spiele. Das Leben ist eine sehr zarte und zerbrechliche Sache, die sich von einem Moment zum nächsten komplett verändern kann. Manchmal in wenigen Augenblicken. Ich bin stolz, dieses Album gemacht zu haben und nicht zu diesen Themen zu schweigen. Mir ist bewusst, dass ich nicht die einzige Frau auf der Welt bin, die diese furchtbaren Dinge erleben muss. Auf dieser Platte erzähle ich das, was ich erlebt habe. Meine Geschichte, meine Perspektive, mein Blues. Und ich will anderen Frauen Mut machen und sie inspirieren, ihre Geschichte zu erzählen."
  

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Vor 2 Jahren machte Raye mit dem Track "Regardless" auf sich aufmerksam

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