Fashion

Mode nach dem Corona-Lockdown: “New Normal” statt Goldene Zwanziger?

Corona und Ausgehmode - das passt erstmal nicht zusammen: Im Homeoffice bleiben das schicke Cocktailkleid von der letzten Beachparty und der Hosenanzug aus dem Büro jetzt im Schrank, die Jogginghose hat Konjunktur.
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Als vergangenes Frühjahr die Mode mit dem Rest der Welt in den Lockdown ging, waren manche sogar erleichtert. Denn nun war erst einmal Schluss mit dem Wahnsinn der vorherigen Jahre. Schluss mit den unzähligen Kollektionen, zum Teil wöchentlich wechselnden Angeboten und dem ständigen Bedürfnis nach mehr. 

Die Corona-Kollektionen sind zu Ladenhütern geworden und die Pandemie hat das Mode-System, das ohnehin seit Jahren in keiner guten Verfassung war, in seinen Grundfesten erschüttert. Nicht nur den lange bekannten Problemen der Überproduktion und immer noch mangelndem Feingefühl für Nachhaltigkeit müssen sich die Unternehmen stellen, sondern auch der Digitalisierung unserer Zeit. Mitten in diesem Wahnsinn, traf das Virus ein - eine Zwangspause. Unsere problematische Schnelllebigkeit wurde so zumindest für einen Moment abrupt gestoppt.

Wenn eine Pandemie ausbricht, findet sich Mode auf der Prioritätenliste aber nicht besonders weit oben und dennoch entwickelten sich auch aus dieser Zeit unsere Modetrends weiter, aber was birgt der Lockdown nach der Jogginghose?

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Gerade zu Beginn machte das Coronavirus Angst - und absolut keine Kauflust. Nach und nach brach neben jeden Gelegenheiten, sich aufzustylen, auch unsere allgemeine Motivation dazu weg und der Jogginganzug wurde zur universellen Corona-Uniform. 

In einer globalen Krise sind Kleidungsstücke gefragt, die beruhigen, trösten und mit uns den Lockdown abwarten, ohne ihren saisonalen Wert zu verlieren: neutrale Basics, Leggings und umhüllende Sweater, gerne jeden Tag derselbe. Die Nachfrage nach bequemer Loungewear stieg rasant an. Wer dennoch einen Vorwand findet, sich für die allgegenwärtigen Videokonferenzen im Home-Office zurecht zu machen, setzt dabei eben nur auf Oberteile und Schmuck.

Nach einem knappen Jahr Pandemie-Erfahrung haben sich die Prioritäten der Kunden jedoch verändert, nicht anders als erwartet, aber indessen einfach viel schneller: Qualität und Nachhaltigkeit. Die KäuferInnen wollen aber auch den zu Hause erlebten Komfort außer Haus nicht mehr missen - die Loungewear wird straßentauglich.

Mit der Pandemie könne nun doch die Vernunft Einzug halten und viele Menschen setzten auch in Anbetracht der Corona-Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt auf langlebige und nachhaltig produzierte Mode. Doch wieso gerade jetzt dieses Umdenken? 

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Ganni Herbst-Winter 2021

Den Willen zur Nachhaltigkeit gab es bekanntlich schon vor der Pandemie - doch die Krise beschleunigt Tendenzen besonders in ihren Extremen. Für Viele ist der Lockdown eine Zeit der Neuorientierung. Sie haben während der Corona-Zeit gemerkt, dass es auch ohne große Modeketten und ständigem Konsum ganz gut geht. Ein Phänomen, das perfekt zum Nachhaltigkeitsgedanken unserer Zeit passt und sich deshalb wahrscheinlich auch in Zukunft weiter durchsetzen wird. Wenn sich diese These bewahrheitet, hätte Corona zumindest im nachhaltigen Konsum unserer Mode tatsächlich etwas Gutes bewirkt.

Es stimmt also wirklich, dass jeder gesellschaftliche Umbruch seine eigene Mode hervorbringt: Nach der Französischen Revolution wollten die Frauen keine aufwendigen Roben mehr tragen, sondern luftig-locker geschnittene Empire-Kleider. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Röcke der Frauen kürzer oder gleich ganz gegen Hosen getauscht. Und die Hippie-Bewegung mit ihrem bunten Muster-Mix entstand aus Protest gegen den Vietnam-Krieg.

Unter Modehistorikern ist dennoch immer noch umstritten, wie Corona unser Stilempfinden beeinflussen wird: Einige glauben, dass die Mode jetzt einen riesigen Sprung macht – hin zu extravaganteren Outfits, opulenten Accessoires, spielerischen Drapierungen und generell mehr Mut. Das jedenfalls wäre nur logisch, wenn wir uns die Geschichte im vergangen Jahrhundert ansehen. Andere argumentieren mit einer engen Verbundenheit zu ihrer funktionalen Kleidung, die sie durch die Krise gebracht hat und somit ein Gefühl der Geborgenheit vermittelt. Corona, so die These der Minimalismus-Verfechter, käme einem Ende des Aufstylens gleich.

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Raf Simons, der zusammen mit Miuccia Prada als Chefdesigner für Prada entwirft, sagt in einem Interview: "Wenn sich die Geschichte wiederholt - und das tut sie oft - dann sind wir nun in den Goldenen Zwanzigern des 21. Jahrhunderts. Und wir alle wissen, wie die Zwanziger damals aussahen: eine Explosion der Mode, Ausgehen und Freizügigkeit."

Ähnlich wie vor Hundert Jahren beginnt auch unsere Dekade der 2020er mit einer globalen Pandemie. Anfang der Goldenen Zwanziger im vergangenen Jahrhundert zur Zeit der Weimarer Republik fielen Millionen von Menschen der Spanischen Grippe zum Opfer.
Es war eine Zeit der Extreme, eine Zeit tiefer Unsicherheit - und gleichzeitig des rasanten Fortschritts. Genau wie wir sie auch jetzt erlegen. 

Aber auch die ersten Jahre der ach so glamourösen 1920er Jahre waren gar nicht so golden. Politischer Zwiespalt, Umsturzversuche des rechten Militärs und kriegswirtschaftliche Probleme waren der Alltag ihrer frühen Jahre. Erst Mitte der goldenen Zwanziger explodierte die Mode nach den tristen Jahren des Ersten Weltkrieges dann so richtig. In den späten 1940er-Jahren berauschte sich Paris nach den traumatischen Kriegsjahren schließlich an Diors opulentem “New Look”. Die Mode sollte nach den Erfahrungen des Krieges, in denen Mode vor allem funktional sein musste, wieder Anlass zum Träumen bieten.

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Etro, Givenchy Herbst-Winter 2021

Und schon die Herbst-Winter 2021 Kollektionen zeigen mehr Farbe und Muster - als bedachtes Gegengift zur langen Zeit zu Hause auf dem Sofa.
Die DesignerInnen haben schon jetzt die Kleider für morgen entworfen - Ausgehmode für eine Zeit nach dem Lockdown. Denn wenn wir nach der Pandemie wieder aus unseren Wohnungen und Homeoffices kriechen, so werden wir auf der ersten Party wohl kaum den Pyjama tragen wollen, in dem wir den Lockdown verbracht haben. 

Was stattdessen zurückkommen könnte: Dressing up! Absatzschuhe! Bauschende Roben! Pailletten! Tuxedos! "Es könnte gefährlich explosiv werden", sagt Raf Simons. Mal sehen, wie laut es knallt. Ob Loungewear nun gekommen ist, um zu bleiben oder die Tage der Jogginghose doch gezählt sind, wird sich also erst zeigen.

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