Sommerliche Trendprognose
Die Bast-Accessoires bei Dolce & Gabbana, jene Oversize-Taschen von Daniel Lee für Bottega Veneta, die jetzt schon Kultstatus genießen, und Batikmuster bei Dior... Während ich diese Zeilen schreibe, sind die Erinnerungen noch ganz frisch – auch wenn in Zeiten, wie diesen das Reisen in die wunderschönen Modemetropole eher fern erscheint. Schwelgen wir also in schönen Erinnerungen, an die großartige Show von Ralph & Russo beispielsweise oder den Auftritt von Jennifer Lopez bei Versace. So viel ist sicher: Die aktuelle Saison hat keineswegs enttäuscht und verspricht etliche Mega- und noch mehr Mikrotrends.
Business unusual
Aber nicht nur in Richtung Schnittführung und Stoffe hat sich einiges getan, auch in Bezug auf Organisation und Business-Belange konnten Insider neue Bewegungen orten. Anhand derer lassen sich die zurückliegenden sechs Wochen auch am besten reüssieren, führen sie doch direkt zurück an den Anfang des Schauenmarathons: New York City. Das Council of Fashion Designers of America, übrigens zum ersten Mal unter der Leitung des neuen Chairman Tom Ford, komprimierte das Geschehen auf fünf Tage anstatt der üblichen ganzen Woche und lieferte so einen kurzweiligen Auftakt, zu deren Highlights man neben etlichen Kollektionen auch den Launch des YouTube-Fashion- Channels unter Patronanz von Derek Blasberg zählen durfte. Ansonsten setzten die hiesigen Designer oftmals auf Perfomances oder inszenierten ihre Shows als interaktive Theaterstücke.
Auch die anschließende Modewoche in London griff den Performance- Charakter auf und so spielte bei Richard Quinn etwa ein ganzes Orchester groß auf, während man bei dem Label 16Arlington auf Disco- Ambiente setzte.
First Look
Das ideale Aufwärmprogramm für die Höhepunkte des Modezirkus: Mailand und Paris! Die Modewochen hier sind mit Abstand die wichtigsten Termine des Jahres – das gilt für die kreative Inspiration ebenso wie für das Geschäftliche!
Schließlich versammelt sich die gesamte internationale Szene hier und genießt neben den Schauen auch die Gelegenheit zum Netzwerken. In besonders stimmungsvollem Ambiente konnte man das etwa bei der amfAR-Gala tun, die dieses Jahr mit dem Palazzo Mezzanotte einen würdigen Rahmen fand. In beinahe privatem Kreis gab es ein fulminantes Konzert von Brit-Popstar Rita Ora, die nicht zuletzt aufgrund diverser Modekooperationen, unter anderem mit Escada und Thomas Sabo, aktuell in aller Munde ist. Weiters wurde bei dem exklusiven Gala-Abend auch Federico Marchetti (Gründer des Online-Retailers Yoox sowie Chairman und CEO der Yoox Net-a- Porter Group) geehrt. Seine Initiativen – nicht nur in Bezug auf Online-Retail-Konzepte, sondern auch auf Themenkomplexe wie Nachhaltigkeit – liegen ganz im Trend und wurden etwa auch von Designern wie Marine Serre aufgegri en, die in Paris ihre Models bei strömendem Regen in einer Kollektion aus mehrheitlich recycelten Kleidungsstücken aufmarschieren ließ.
Showtime in Mailand
Lokalmatador Dolce&Gabbana trumpfte in puncto Casting wieder ganz groß auf. Nahezu eine kleine Armee an Models präsentierte die stolzen 124 Looks – dabei wurde der Bogen von Safari- Looks bis zu tropischen Prints gespannt. Letztere konnte man auch bei Giorgio Armani und natürlich Versace finden. Mit Bottega Veneta, einem weiteren großen italienischen Modehaus, gab es naturgemäß weniger stilistische Gemeinsamkeiten, wobei sich hier die Neuinterpretation des kleinen Schwarzen dennoch als gemeinsamer Nenner finden lässt. Ansonsten verstand sich der neue Designer der Marke wieder meisterlich auf den Einsatz von Leder und die Inszenierung der zeitgemäßen Accessoires. Auch Iceberg und Loro Piana konnten diese Saison überraschen und, jeder auf seine ganz charakteristische Art und Weise, die DNA der Marke schärfen. Letztere liefert dabei den eindeutigen Beweis, dass man auch Marken ohne einer große Modenschau unbedingt einen Besuch abstatten sollte – keine ganz leichte Aufgabe neben den zahlreichen Meetings und Business-Terminen, die es zu besuchen gilt.
Next Stop: Paris
So verfliegt die Zeit zumeist wie im Flug und ehe man es sich versieht, hat man auch schon selbigen absolviert und findet sich in Paris wieder, das sich diese Saison leider von seiner verregneten Seite gezeigt hat. Lediglich bei Dior sorgte das schon wieder für eine ganz eigene Atmosphäre – die Location, eine Rennbahn in Longchamp, hatte Maria Grazia Chiuri in Zusammenarbeit mit dem Design-Kollektiv Coloco kurzerhand in einen magischen Wald umfunktioniert. Als Inspiration diente ihr dabei die Schwester von Christian Dior, Catherine, und ihre große Liebe zur Natur und ihrem Garten. Ganz in diesem Sinne wurden die Bäume nur temporär als Kulisse genutzt und im Anschluss an die Show in der Stadt eingepflanzt.
Modische Statements
Generell mangelte es auch in Paris nicht an prägenden Momenten: etwa die Show von Ralph&Russo – ein Traum an pastellfarbenen Kreationen mit Referenzen an das Miami der 70er-Jahre, oder die zeitgemäße Kollektion von Virginie Viard, die ihr modernes Chanel-Girl in coole Playsuits und Mantelkleider steckte. Dieser Reigen und die Fashion Week als solches wurden von Louis Vuitton geschlossen, wo Nicolas Ghèsquiere als Hintergrund ein Video der aktuell hochgelobten Transgender- Künstlerin Sophie Xeon auserkor und nochmal auf den Punkt brachte, was uns in der nächsten Saison erwartet: Retro- Elemente, überraschend interpretiert, nachhaltige Denkweisen, innovative Technik und Mode jenseits der Klischees mit durchaus gesellschaftspolitischer An und Aussage.
Text: Svitlana Lavrynovych