Happy Birthday, Elfie Semotan! Interview mit Österreichs Fotografie-Ikone
Elfie Semotan feiert am 25. Juli ihren 80. Geburtstag. Mit ihren Arbeiten hat sie in den letzten Dekaden die internationale und nationale Modeszene geprägt, wie keine und keiner vor ihr. Als Fotografin, die sich ihren eigenen Raum schuf, entgegen dem Strom arbeitete und kompromisslos Modefotografie für sich definierte, ist Semotan Bindeglied zwischen Welten.
Als sie nach dem Besuch der Modeschule Hetzendorf mit 20 Jahren nach Paris ging, war sie erst Model und entdeckte erst später die Fotografie für sich. Für Helmut Lang hinter der Kamera und sogar auf dem Laufsteg, ist sie mit der Geschichte seines Modehauses eng verbunden. Die Hälfte ihres Lebens verbrachte sie in New York. Mittlerweile lebt sie wieder in Wien.
"Ich bin sehr dankbar, was ich in New York alles lernen durfte", erzählte sie im Podcast von Liane Seitz ("Champagne or Water") anlässlich ihrer Ausstellung im Kunst Haus Wien, das der Fotografin eine retrospektivische Ausstellung ("Elfie Semotan Haltung und Pose") widmet. Hier wird der Bogen zwischen Porträtarbeiten sowie Mode- und Werbefotografien gespannt und damit Einblick in ein einzigartiges, kosmopolitisches Leben gegeben. Vor allem Semotans Stillleben und Landschaftsbilder werden für viele eine Neuentdeckung sein. Fotos von Elfie Semotan spielen oft mit einer Prise Irritation. Hält sie sich, wie sie betont, nicht mit Oberflächlichkeiten auf, erzählt sie in ihrer Arbeiten facettenreiche Geschichten.
Können Sie sich noch an den Moment erinnern, als Sie entschieden haben Fotografin zu werden?
Elfie Semotan: "Das war kein Moment, das war ein Prozess der einige Selbstreflektion auslöste."
Welche Shootings haben Sie auf Ihrem fotografischem Weg am meisten geprägt?
Elfie Semotan: "Porträt war immer das intensivste und sehr abhängig von der Verbindung, die ich zu der zu fotografierenden Person aufbauen konnte."
Wann hat Sie das letzte Mal ein Foto fasziniert - und warum?
Elfie Semotan: "Das letzte Mal war es das Foto eines kleinen Mädchens, das ganz ernst und gesammelt in die Kamera schaute. Es hat mich daran erinnert wie wichtig es ist einen Menschen, eine Persönlichkeit zu abzubilden."
Sie haben immer wieder gesagt unter zu leiden, wenn Sie vor der Kamera stehen. Wie war es, als Jörg Burger eine Dokumentation über Sie drehte?
Elfie Semotan: "Jörg Burger habe ich vor dem Dreh kennen gelernt, ich habe einige seiner Filme gesehen und mit ihm gesprochen. Ich war sicher ihn gut genug zu kennen, er würde nichts drehen, was ich nicht gutheißen würde. Wir sind uns auf einigen Ebenen ähnlich: Er macht keine kurzen Szenen und schnelle Schnitte, auch etwas was wir gemeinsam haben. Außerdem hat man in einem Film die Möglichkeit ein Portrait langsam zu zeichnen. Fotos müssen oder sollten in einem Moment - im besten Fall - alles zeigen. Wie wir wissen, geht das oft schief."
In der westlichen Medienwelt, die sich zusehends mit dem Attribut "divers" und "inclusive" schmücken möchte, gibt es paradoxerweise mehr denn je körperliche Perfektion. Wie sehen Sie diesen Trend?
Elfie Semotan: "Mit den größeren Möglichkeiten gibt es auch die größeren Ansprüche. Wir haben mehr Auswahl an Kleidern, also auch Verkleidungen, Verhüllungen und wir können uns auf Knopfdruck retuschieren, so aussehen wie unsere Idole. Das interessiert mich nicht. Es ist wichtiger zu verstehen wer man ist, welche Möglichkeiten und Begabungen man hat und wie man damit leben kann."
Ist die Modewelt in den letzten Jahren dadurch feministischer geworden?
Elfie Semotan: "Das ist eine witzige Frage, ob sie feministisch ist, kann ich jetzt gar nicht so einfach beantworten. Die Mode soll Frauen schöner machen, sie vorteilhaft darstellen, sie vielleicht auch besser verkaufen ... Das scheint mir jetzt nicht sehr feministisch. Feministisch ist etwas, was Frauen Bewusstsein gibt, ihnen hilft ihre Situation und ihren Wert als gleichberechtigten Teil der Gesellschaft zu erkennen. Das tut Mode schon auch und insofern ist sie doch auch als feministisch zu sehen."
Sie sind eng mit Helmut Lang befreundet, waren seine Fotografin und Model. Was war für Sie das revolutionärste, was er jemals gemacht hat?
Elfie Semotan: "Er war unbeirrbar in seiner Vorstellung von Mode und in seiner Ästhetik. Was mich sehr beeindruckte war sein Sinn für Kontinuität, für eine fast logische Weiterentwicklung der Mode. Großartig auch seine sehr eigenwilligen Einfälle. Zum Beispiel lange Schleppen an kurzen Seiden- oder Plastik-Röcken."
Die technischen Voraussetzungen für Fotografie haben sich in den letzten Jahren drastisch geändert. Mittlerweile gibt es sogar "Times"-Cover, die mit dem iPhone produziert werden. Was ändert sich Ihrer Meinung nach jedoch in der Fotografie nie?
Elfie Semotan: "Die Konfrontation mit Menschen. Eine Realität auf die man reagieren muss."
Die Frage ist zwar vielleicht überstrapaziert, aber wir möchten Sie trotzdem stellen: Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich gerne sagen?
Elfie Semotan: "Versuche herauszufinden was du kannst und was du möchtest, bleib dir selber treu - es lohnt sich."
Welche Grenzen gilt es in der Modefotografie noch zu brechen?
Elfie Semotan: "Es gibt immer Grenzen zu brechen in dem Sinn, dass es notwendig ist, sich weiter zu entwickeln, nicht mit dem Status quo zufrieden zu sein. Schönheit war und ist immer ein erstrebenswertes Ziel gewesen, wie weit es uns gelingt, die alltägliche Schönheit als das wirklich Glücklichmachende darzustellen und zu begreifen weiß ich nicht."
Sie haben sich in jungen Jahren nach Paris aufgemacht, weil Wien keine progressive Mode zuließ. Wo sollte man als junges Modetalent heute hin?
Elfie Semotan: "Heute ist man mit der ganzen Welt vernetzt, man erfährt alles was man wissen möchte. Man muss nirgendwo hin, es gibt einige Beispiele von Personen, die sich in ländlicher Abgeschiedenheit zu großen Vorbildern entwickeln. Trotzdem würde ich die großen Städte empfehlen, da lernt man am schnellsten, da sieht man am meisten, mit allen Schwierigkeiten die damit verbunden sind. Für mich war es New York. Ich habe dort sehr schnell sehr viel gelernt, das wäre damals in keiner anderen Stadt möglich gewesen."
Die Ausstellung "Elfie Semotan: Haltung und Pose" ist bis zum 30.8.2021 im Kunst Haus Wien zu sehen.