Fashion

Exklusiv: H&M's Head of Design Ann-Sofie Johansson im Gespräch über die Mode von Morgen

Die Diskussion rund um nachhaltige Mode hat jetzt auch den schwedischen Konzern erreicht. Mit einem ambitionierten neuen Ansatz, der sowohl Produktionstechnologien als auch Materialherstellung umfasst, möchte man neue Wege beschreiten.
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"Ich denke, das Wichtigste ist, die Kreislaufwirtschaft in allen Phasen des Designprozesses und bei allen Produkten zu verankern." - Ann-Sofie Johansson

"Innovative Circular Design Story" - Zugegeben ist es nicht gerade ein besonders melodischer Kollektionsname, den sich H&M hier überlegt hat, allerdings kann man sich darunter schnell etwas vorstellen. Trotzdem kommt es - typisch skandinavisch - ohne den üblichen Tamtam aus, den sich sonst Unternehmen umhängen, die ein neues Kapitel in ihrer Unternehmensgeschichte aufschlagen. Doch worum geht es überhaupt? H&M hat sich dazu verpflichtet seinen Fußabdruck grüner zu machen bzw. den CO2-Ausstoß zu verringern.

Löblich. Deswegen denkt man auch neu. Zum einen wird die Kollektion aus recycelten und widerverwertbaren Materialien hergestellt. Und dabei geht es nicht nur um diese, sondern auch um die Minimalisierung der sonst so verschwendungsintensiven Produktionsweise, der man üblicherweise in der Modebranche begegnet. 

L'Officiel Austria hat mit Head of Design, Ann-Sofie Johansson, gesprochen, die an der Spitze der Textilkette maßgeblich die Innovationen vorantreibt.

 

 

Wir verfolgen verschiedene Ansätze, um nachhaltiger zu werden: Was ist Ihrer Meinung nach das aktuellste Problem der Modeindustrie, das angegangen werden sollte? 

Ann-Sofie Johansson: "Die Modebranche muss von einer linearen Denkweise zu einem stärker zirkulären Ansatz übergehen. Das ist der springende Punkt. Die Branche muss die Verantwortung für ihren eigenen Abfall übernehmen. Bei H&M haben wir uns ein zielgerichtetes Design auf die Fahnen geschrieben, bei dem die Produkte so gestaltet sind, dass sie wiederverwendet und umfunktioniert werden können. Deshalb wurde unsere jüngste Kollektion, Innovation Circular Design Story, ganz im Sinne des Kreislaufgedankens entworfen, sei es durch die Verwendung von recycelten Materialien oder von auflösbaren Fäden, damit die Kleidungsstücke im Recyclingprozess leichter zerlegt werden können. Passend zur Kollektion haben wir vor kurzem ein Circular Designer Tool, den Circulator, eingeführt, das den Kreislaufgedanken in alle Phasen des Designprozesses einbezieht und unser Team bei der Auswahl von Stoffen, Wünschen und Konstruktionsmethoden unterstützt. Bis 2025 sollen alle H&M-Produkte unter Verwendung dieses Tools entworfen werden, und wir beabsichtigen, das Tool branchenweit zu verbreiten, um andere zu guten Praktiken zu ermutigen. Ein weiteres Ziel ist es, bis 2025 sicherzustellen, dass wir im gesamten Unternehmen 30 % recycelte Materialien verwenden. Und schließlich wollen wir bis 2040 ein klimapositives Unternehmen sein. Mit diesen Zielen und Schritten wollen wir andere Unternehmen inspirieren und die gesamte Branche zu einer Kreislaufwirtschaft bewegen."

 

Wie sollten wir Mode konsumieren, um sie nachhaltiger zu machen, und was muss getan werden, um eine "Kreislaufmode" zu ermöglichen?  

Ann-Sofie Johansson: "Ich denke, das Wichtigste ist, die Kreislaufwirtschaft in allen Phasen des Designprozesses und bei allen Produkten zu verankern. Dazu muss das Design sehr eng mit der Produktion zusammenarbeiten, was unser Circulator ermöglicht. Ich denke, ein weiterer wichtiger Schritt ist das Nachdenken über die Nutzung - wie können wir Kleidungsstücke so anpassungsfähig wie möglich machen, wie können wir Kunden ermutigen, ihre Kleidung wirklich zu nutzen? Wir wollten mit unserer kommenden Innovation Circular Design Story-Kollektion wirklich zum Nachdenken und zu Gesprächen darüber anregen, wie Menschen Kleidung tragen und behandeln. Aus diesem Grund haben wir uns darauf konzentriert, dass alle Kleidungsstücke so vielseitig wie möglich getragen werden können. Obwohl viele der Kleidungsstücke sehr farbenfroh und auffällig sind, sind sie auch anpassungsfähig, z. B. durch Träger, die die Passform ändern können, oder Haken, mit denen die Größe angepasst werden kann, so dass die Kleidungsstücke geteilt oder jahrelang behalten werden können. Ich liebe das abgeschnittene BH-Top, das mehrere Verschlüsse auf der Rückseite hat, so dass es an viele verschiedene Größen angepasst werden kann - ideal, um es an Freundinnen zu verleihen oder um es jahrzehntelang zu behalten."

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Der Retail-Gigant versucht ab sofort neue(re) Wege zu beschreiten und wendet sich der Circular Fashion zu, um den ökologischen Fußabdruck zu schmälern. (Foto: Shutterstock)

Als einer der größten Akteure der Modebranche ist H&M immer noch als Fast-Fashion-Produzent bekannt. Wie passt sich das Unternehmen an, um "Circular Fashion" möglich zu machen?

Ann-Sofie Johansson: "Der Schlüssel zu einer nachhaltigeren Mode liegt darin, sicherzustellen, dass die von uns produzierte Kleidung Teil eines Kreislaufsystems ist, in dem nichts verschwendet wird. Wir haben mehrere Schritte unternommen, um sicherzustellen, dass wir nicht mehr in gleichem Maße auf natürliche Ressourcen angewiesen sind. Dazu gehört, dass wir mehr nachhaltig beschaffte, recycelbare Materialien verwenden und neue Wege finden, um bestehende Kleidungsstücke wiederzuverwenden, so dass alles wiederverwendet werden kann. Diese Kollektion und der Circulator sind ein Teil dieser Reise. Authentizität und sinnvolle Veränderungen sind uns sehr wichtig - deshalb sind wir offen und transparent, was unsere Nachhaltigkeitsstrategie angeht, und zwar nicht nur gegenüber unseren Kunden, sondern auch gegenüber anderen Marken; wir glauben, dass der Austausch von Ideen und Innovationen die gesamte Branche voranbringen kann. Wir sind uns bewusst, dass wir eine große Verantwortung tragen, und wir sind wirklich stolz auf die marktführenden Initiativen und Ziele, die wir bei H&M verfolgen. Wir sind entschlossen, den Wandel hin zu einer nachhaltigeren Modeindustrie voranzutreiben, aber es bedarf harter Arbeit und der Zusammenarbeit vieler Parteien, um einen langfristigen Wandel in der gesamten Textilindustrie zu erreichen. Die Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, sind zu komplex, als dass ein einzelnes Unternehmen, unabhängig von seiner Größe, sie allein bewältigen könnte. Deshalb arbeiten wir im Rahmen verschiedener Initiativen mit anderen Marken und Interessengruppen zusammen, wie zum Beispiel durch den gemeinsamen Zugang zum Circulator. "

 

Wie kann man schließlich den Designprozess der Mode nachhaltiger machen? 

Ann-Sofie Johansson: "Kleidungsstücke müssen unter Berücksichtigung der Kreislaufwirtschaft entworfen werden. Neben den oben genannten Beispielen gibt es meiner Meinung nach noch zwei weitere Dinge zu erwähnen: zum einen die Konstruktion und zum anderen die Verwendung. Bei der Arbeit an dieser Kollektion haben unsere Designer nicht nur das Aussehen der einzelnen Stücke berücksichtigt, sondern auch die Konstruktion und den Rückbau; die Art und Weise, wie Stücke gebaut werden können, um später angepasst oder für das Recycling zerlegt zu werden, daher der Einsatz von Innovationen wie RESORTEC Smart Stitch, einem auflösbaren Faden. Ein wichtiger Teil davon war die Botschaft an unsere Verbraucher, ihre Kleidung zu recyceln und über die Lebensdauer der von ihnen gekauften Stücke nachzudenken. Ein weiterer Schwerpunkt bei der Konstruktion war die Herstellung von Kleidungsstücken aus nur einem Material, Monofaser", um das Recycling zu erleichtern. Zweitens kann der Designprozess wirklich klug über den Gebrauch nachdenken und versuchen, Stücke zu entwerfen, die immer wieder getragen und neu gestaltet werden können. Wie ich bereits erwähnt habe, haben wir deshalb versucht, die Stücke anpassungsfähig zu gestalten, so dass man sie behalten, umgestalten und sogar mit Freunden teilen kann."

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Wer sich jetzt Basics bei der neuen H&M Kollektion "erhofft" hat, wird bitter enttäuscht sein. Die "Innovation Circular Design Story" ist raffiniert, bunt und erinnert an Couture. (Foto: H&M)
"Ich persönlich liebe Secondhand-Mode und bin immer auf der Suche nach einem tollen Vintage-Stück - vor allem nach Partykleidern und tollen alten Jeans." - Ann-Sofie Johansson

Secondhand-Mode und preloved ist auf dem Vormarsch und ist bereits Teil der Garderobe der Gen Z. Greifen Sie auch auf diese Mode zurück und integrieren Sie gebrauchte Stücke in Ihren Kleiderschrank?

Ann-Sofie Johansson: "Ich persönlich liebe Secondhand-Mode und bin immer auf der Suche nach einem tollen Vintage-Teil - vor allem Partykleider und tolle alte Jeans. Ich bin auch ein Fan von Vintage-Schmuck und -Accessoires. In Zusammenarbeit mit unserem Partner I:CO, der alte Kleidungsstücke sammelt, haben wir eine dynamische Auswahl an Damenblazern aus alten Kleidungsstücken von I:CO kreiert. Insgesamt gibt es sechs Modelle, die jeweils aus vorhandenen Teilen hergestellt und mit Schößchen oder Rüschen aus neuem, nachhaltig beschafftem Taft überarbeitet wurden. Die ausgewählten Blazer werden in Mailand, Stockholm, London, New York, Tokio und Paris erhältlich sein, und jedes Stück ist ein echtes Unikat und eine Hommage an die Möglichkeiten des Recyclings."

 

Was braucht es generell, um eine Garderobe nachhaltig zu gestalten? 

Ann-Sofie Johansson: "Ich denke, es erfordert Überlegung, Kreativität und Engagement - von Marken, Designern und Verbrauchern."

 

Wenn Sie selbst eine Marke gründen könnten, welche Werte würden Sie umsetzen? 

Ann-Sofie Johansson: "Ich denke, die Innovation Circular Design Story fasst viele der Werte zusammen, die ich mir für eine Marke wünschen würde; es geht um Kreislaufwirtschaft, aber auch um Freude. Es ist eine echte Feier der Mode und des transformativen Aspekts von Kleidung."

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Die Kollektion wird ab dem 9. Dezember 2021 in ausgewählten Stores und online auf hm.com erhältlich sein. (Foto: H&M)

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