DIE MISSION DER AUSTRIAN FASHION ASSOCIATION: CAMILLE BOYER IM GESPRÄCH
Die Austrian Fashion Association setzt sich als Schnittstelle von Mode, Wirtschaft und Kultur seit nun mehr als 10 Jahren dafür ein, aufstrebende österreichische Designer:innen und Brands zu fördern. L’Officiel Austria spricht im Gespräch mit Gründerin Camille Boyer über die Mission der AFA.
Welche Vision steckt hinter den AFA? Welche Talente werden im Rahmen der Awards angesprochen?
Seit einer Dekade setzt sich die Austrian Fashion Association mit Leidenschaft dafür ein, herausragende österreichische Modetalente und kreative Köpfe verwandter Disziplinen in den Fokus zu rücken.
Als Organisation, die durch Kunst- und Kulturförderung getragen wird, betrachten wir Mode als wesentlichen Teil der Kultur unserer Gesellschaft. Unser Engagement gilt der Förderung einer Mode, die künstlerisch, experimentell und verantwortungsbewusst gestaltet wird. Die Austrian Fashion Association schafft mit ihrem breit gefächerten Programm einen fruchtbaren Boden, auf dem sowohl die kreative Vision als auch die wirtschaftlichen Ambitionen österreichischer und hier ansässiger Designer*innen gedeihen können.
Nachhaltigkeit steht im Zentrum unserer Förderung – unabhängig davon, ob die Designer*innen kommerzielle Ziele verfolgen oder sich künstlerisch verwirklichen möchten.
Unsere Vision ist eine pulsierende, facettenreiche Modeszene, die über das reine Designschaffen hinausgeht. Wir verstehen Mode als ganzheitliches Ökosystem, das Kreative wie z. B. Fotograf*innen, Stylist*innen, Künstler*innen, Performer*innen gleichermaßen einschließt.
In unserem Verständnis ist Mode ein kreatives Netzwerk, in dem jede einzelne Position maßgeblich zur Entwicklung und Innovation der Branche beiträgt.
Was bedeutet es für Sie, mit den Austrian Fashion Awards neuen Designtalenten eine potenziell karriereverändernde Bühne zu bieten?
Die Austrian Fashion Awards zählen zu den prestigeträchtigsten und am höchsten dotierten Designauszeichnungen Österreichs. Ihre Strahlkraft reicht weit über die heimische Modeszene hinaus und generiert beachtliche internationale Resonanz.
Die Austrian Fashion Awards bieten Designer*innen eine einzigartige Chance, ihre Arbeit einem breiten Publikum an nationalen und internationalen Branchenexpert*innen und Modeinteressierten zu präsentieren. Diese Plattform kann tatsächlich karriereverändernd sein - durch wertvolle Industriekontakte, mediale Aufmerksamkeit und die damit verbundenen Möglichkeiten zur Weiterentwicklung ihrer Marken.
Wie geht es nach dem Sieg für die Preisträger:innen weiter?
Für die Preisträger*innen markieren die Austrian Fashion Awards häufig einen entscheidenden Karrieremoment. Die gesteigerte Medienpräsenz und wertvolle Kontakte zu Branchen-Insider*innen und Multiplikator*innen eröffnen neue berufliche Perspektiven. Das Preisgeld ermöglicht es den Designer*innen zudem, sich fernab finanzieller Zwänge vollständig ihrer kreativen Vision und der Entwicklung ihrer nächsten Kollektion zu widmen.
Sieht man sich die Liste der Preisträger*innen der vergangenen zehn Jahre an, darunter beispielsweise Jana Wieland, Rani Bageria, Marina Hoermanseder, Arthur Arbesser, Petar Petrov oder Wendy Jim zeigt sich, dass die Austrian Fashion Awards Türen öffnen können, die den Weg zu einer erfolgreichen Karriere auf nationaler wie internationaler Ebene ebnen.
Die AFA sind neben ihrem Symbol als prestigeträchtige Auszeichnung auch eine Schnittstelle zur Wirtschaft. Warum hat dieser Ansatz gerade in der heutigen Zeit eine so große Bedeutung?
Die Modewelt ist einem ständigen Wandel unterworfen, der sich in den letzten Jahren erheblich beschleunigt hat. Zu Beginn unserer Arbeit prägte ein einziges Geschäftsmodell die Branche: der internationale B2B-Handel. Doch durch die Pandemie, globale Krisen und technologische Innovationen sind zahlreiche neue und relevante Modelle entstanden, die der Modebranche neue Impulse geben und Designer*innen vielfältige Erfolgschancen eröffnen.
Parallel dazu hat sich das Berufsbild des/der Modedesigner*in in den letzten Jahren grundlegend verändert. Die Rolle umfasst heute ein deutlich breiteres Aufgabenspektrum. Die rasante Entwicklung der digitalen Welt – von der strategischen Nutzung sozialer Medien über Augmented und Virtual Reality bis hin zur Anwendung künstlicher Intelligenz – hat das kreative Schaffen neu definiert. Designer*innen sind heute nicht nur Modemacher*innen, sondern auch digitale Künstler*innen, Markenstrate*ginnen und Innovations-Treiber*innen an der Schnittstelle von Technologie und Kreativität.
Diese Entwicklungen verdeutlichen die Bedeutung unserer vielfältigen Unterstützungsansätze, die Designer*innen für diese dynamische und komplexe Branche rüsten. Die Austrian Fashion Association agiert als Brückenbauerin zwischen Design und Wirtschaft – wir begleiten Designer*innen dabei, ihre kreativen Visionen in zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu verwandeln.
Dank der AFA stellen Sie sicher, dass die Wiener Modeszene auch mehr internationale Präsenz erhält. Warum ist es essenziell, dass lokale Brands auch internationale Anerkennung erhalten und wie kann diese erzielt werden?
Der österreichische Markt ist relativ klein, was Vor- und Nachteile hat. Modemetropolen bieten oft mehr Vernetzungsmöglichkeiten und Sichtbarkeit, dafür haben wir hier eine engere Netzwerkbildung und hervorragende Ausbildungsstätten und Fördermöglichkeiten. Doch Mode ist seit jeher eine universelle Sprache, die keine Landesgrenzen kennt. Sie lebt vom globalen Dialog und kulturellen Austausch – eine Dynamik, die durch die Digitalisierung noch intensiver geworden ist. In diesem internationalen Wettbewerb unterstützen wir österreichische und in Österreich arbeitende Designer*innen mit unseren maßgeschneiderten Professionalisierungsprogrammen sowie umfangreichen finanziellen Förderungen dabei, eine künstlerische und diskursive Praxis zu entwickeln, um nachhaltig auf hohem Niveau bestehen zu können und sich auf der globalen Modebühne erfolgreich zu positionieren.
Internationale Vernetzung bildet das Fundament unserer Arbeit. Als Gründungsmitglied der European Fashion Alliance und durch unser weitreichendes europäisches Netzwerk schaffen wir wertvolle Brücken über Österreichs Grenzen hinweg. Unsere Präsenz in Paris mit eigenen Showrooms, strategische PR-Aktivitäten und die enge Zusammenarbeit mit globalen Partner*innen eröffnen österreichischen Designer*innen den Zugang zu internationalen Märkten. Diese gezielte Positionierung im globalen Modekosmos fördert nicht nur das Wachstum lokaler Marken, sondern stärkt auch den Modestandort Österreich.
Worauf legen Sie bei der Zusammenarbeit mit Designer:innen besonderen Wert? Was macht einen bahnbrechenden Designer für Sie aus?
Die Austrian Fashion Association legt neben kreativer Exzellenz besonderen Wert auf Authentizität, Vision, gesellschaftliches Engagement und Nachhaltigkeit. Eine inspirierende Designer-Persönlichkeit vereint kreative Leidenschaft mit einem klaren Konzept und einer reflektierten Herangehensweise an Mode als kulturelles Ausdrucksmittel. Besonders wichtig ist es uns, dass Designer*innen nicht nur ästhetisch faszinierende Stücke kreieren, sondern auch innovative Ansätze verfolgen, zeitgemäße Produktionsmethoden anwenden und soziale Verantwortung übernehmen.
Als gebürtige Französin sind Sie mit Pariser Mode aufgewachsen. Inwiefern unterscheidet sich diese von der Wiener Fashion?
Als ich nach Österreich kam, beeindruckten mich vor allem zwei Dinge: Zum einen die außergewöhnliche Förderung junger Talente, die der heimischen Modeszene eine solide Existenzgrundlage sicherte - ein Kontrast zur damaligen Situation in Paris.
Zum anderen die Arbeitsweisen von Labels wie u.a. fabrics interseason oder Wendy Jim. Diese Designer*innen gingen konzeptionell vor, hinterfragten spielerisch die Grenzen der Mode und definierten Schönheit nach ihren ganz eigenen, unkonventionellen Vorstellungen. Während das Modebewusstsein in Wien vor zwanzig Jahren zwar noch wenig ausgeprägt war, schuf diese Offenheit einen erfrischenden kreativen Freiraum für mutige Experimente.
Im Gegensatz dazu war Paris, ähnlich wie Mailand - wenn auch mit einer anderen Ästhetik, von einem sehr klassischen, femininen Look geprägt – einer Art „Uniform des guten Geschmacks”, die das traditionelle Verständnis von Eleganz bediente. Die in Österreich herrschende Gestaltungsfreiheit empfand ich daher als äußerst belebend.
Heute ist es schwierig, zeitgenössisches Modedesign geografisch zu verorten, trotzdem findet man bei einigen Labels Merkmale, die vielleicht Österreich-spezifisch erscheinen. Das kann zum Beispiel ein Fokus auf handwerkliche Tradition wie bei Schuhdesigner Matthias Winkler sein oder die Weiterentwicklung traditioneller Kleidungsstücke, wie man bei Olivia Lottersberger oder Florentina Leitner beobachten kann, um nur einige wenige zu nennen. Sie bieten eine interessante Mischung aus Tradition und Innovation, lokaler Verwurzelung und globaler Perspektive, die sie von der breiten internationalen Szene abhebt.
Was bedeutet Mode für Sie persönlich?
Mode ist eine der kraftvollsten Ausdrucksformen unserer Zeit: Sie spiegelt nicht nur gesellschaftliche Entwicklungen wider, sondern ist zugleich Innovationstreiber und Wirtschaftskraft. In einer Ära fundamentaler Umbrüche übernimmt Mode eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung nachhaltiger Zukunftskonzepte.
Als facettenreiches kulturelles Phänomen durchdringt Mode längst alle kreativen Sphären. Sie verschmilzt mit Kunst, Design, Musik und Gastronomie, schafft dabei neue Synergien und wird selbst zum Katalysator interdisziplinärer Innovation. Die traditionellen Grenzen kreativer Industrien lösen sich auf, es entstehen spannende neue Ausdrucksformen.
Doch Mode besitzt auch eine oft unterschätzte politische Dimension: Der Schleier in der iranischen Protestbewegung, die palästinensische Kufiya oder die ukrainische Wyschywanka – sie alle zeigen, wie Kleidung zu einem machtvollen Symbol des Widerstands, der Solidarität und kultureller Identität werden kann. In ihrer stillen Eloquenz vermag Mode politische Botschaften über alle Grenzen hinweg zu transportieren und Menschen zu vereinen.
Mode ist damit eine universelle Sprache, die weit mehr leistet als ästhetische Trends zu setzen. Sie prägt gesellschaftliche Diskurse, begleitet Revolutionen und wird zum Instrument des Wandels. Als Zeitzeuge und Wegbereiter zugleich macht sie Veränderung nicht nur sichtbar – sie gestaltet sie aktiv mit.