Ravend & Schiller(nd): Schauspieler Philipp Hochmair im Interview
Der Moment in dem Philipp Hochmair in Österreich in der Erfolgsserie "Vorstadtweiber" auf dem Bildschirm erschien, war ein Meilenstein in der Karriere des 49-jährigen, zeigt aber nur eine kleine Facette des Schauspielers, der in der Variation seiner Rollen außergewöhnliches leistet.
Vom Thalia Theater in Hamburg, Schauspielhaus Zürich bis zum Burgtheater in Wien testet Philipp Hochmair die Grenzen seiner Kunst und Persönlichkeit aus, feierte Erfolge als "brillierender Jedermann, wie man ihn noch nie gesehen hat" (ORF) und steht mit seiner Performance "Schiller Balladen Rave", die zusammen mit Die Elektrohand Gottes derzeit regelmäßig auf der Bühne. Letzteres zeigt Interpretationen der Texte des Großmeisters der deutschen Literatur, wie man sie wohl noch nie zu sehen bekam.
Im Jänner diesen Jahres war Hochmair wieder in einer komplett anderen Rolle zu sehen, als er die Rolle des SS-Obergruppenführers Reinhard Heydrich übernahm und im Film "Die Wannseekonferenz" (Regie: Matti Geschonneck) Kritiker:innenlob erhielt.
Doch wie schaffen wir jetzt den Spagat zur Mode?
Unser Interview kam durch Fotografin Rafaela Pröll zustande, die mit Hochmair bereits seit Jahren arbeitet. So auch für die aktuelle Strecke mit Pieces von Louis Vuitton (einen Auszug davon gibt es hier zu sehen).
Pröll liebt die Experimentierfreude, die Hochmair zulässt, wie sie L'Officiel Austria erzählt. Für das Cover zu "Jedermann Reloaded", das auch auf der Bühne des Burgtheater zu sehen war, war sie mit ihm im nächtlichen Wien unterwegs und erinnert sich: "Er hatte sein Bühnen-Outfit dabei. Wir haben in einem Kaffeehaus bereits gute Fotos gemacht, aber ich wusste: 'Das ist es noch nicht!'. Um Mitternacht herum sind wir zum Währinger Park gegangen. Ich habe ihn gebeten seine Jacke auszuziehen. In dieser Verletzlichkeit, die man am Foto sieht, war dann der Ausdruck perfekt. Ich habe gewusst, dass wir es jetzt haben ... so ist das Cover entstanden."
Doch von Blitzlicht lässt sich Philipp Hochmair nicht beeindrucken. Im Gegenteil. Denn die Suche nach "alten Stoffen", wie er uns im Interview erzählt, sei für ihn nie abgeschlossen. Eine Reise, die ihn zu den wohl vielseitigsten deutschsprachigen Schauspielern der Gegenwart macht.
Der ORF bezeichnete Sie einmal als "Extremschauspieler". Finden Sie die Bezeichnung zutreffend?
Philipp Hochmair: "Davon habe ich schon gehört. Ja, ich bin gerne Extremschauspieler." (lacht)
Was wäre denn das Extreme an Ihrem Beruf?
Philipp Hochmair: "Ich habe mich immer für spezielle, extreme Charaktere interessiert und versucht sie auch so nah wie möglich an mich heranzulassen. Im Theater waren zum Beispiel Franz Moor aus Schillers 'Räuber' oder Mephisto in Goethes 'Faust', im Fernsehen Joachim Schnitzler in den 'Vorstadtweibern' oder zuletzt Heydrich in der 'Wannseekonferenz'. Aber vielleicht auch die vielseitige Auseinandersetzung mit 'Jedermann'. Ich habe zuletzt mit dem Musiker Kurt Razelli eine ganz eigenwillige Club-Version von Jedermann entwickelt. Vielleicht ist das auch extrem, dass ich meine Suche nach einer neuen Form für alte Stoffe nie für abgeschlossen erkläre."
Bei ihrer letzten Arbeit wurde das Extreme auch in seiner negativsten Form von Ihnen gefordert: Sie spielten den SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich, der in der Geschichte des Nationalsozialismus eine gewichtige, wenn auch eher unbekanntere Rolle spielte. Wie geht man mit der Darstellung des Bösen im zeitgeschichtlichen Kontext als Schauspieler um?
Philipp Hochmair: "Der Holocaust ist das schlimmste Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Aktive, reflektierte Erinnerungskultur ist in unserer Zeit enorm wichtig. Anfangs hatte ich das Bedürfnis, den Zuschauern die böse Seite Heydrichs klar zu zeigen. Dann aber kam der Moment wo ich gedacht habe: Ich bin das jetzt. Man geht also bewusst in das Böse hinein und übertritt eine Linie, verlässt jeden moralischen Kontext."
Kommt die Rolle auch mit nach Hause oder bleibt sie am Film-Set bzw. auf der Bühne?
Philipp Hochmair: "Das ist eine komplexe Frage. Manchmal geht es leicht, manchmal nicht. Aber ich versuche das klar zu trennen."
Jetzt zu etwas "leichterem" Gerade sind Sie mit "Schiller Balladen Rave" unterwegs - was genießen Sie besonders daran auch als Musiker auf der Bühne zu stehen und diese Seite ausleben zu können?
Philipp Hochmair: "Ein Abend wie Schiller Balladen Rave ist auf jeden Fall sehr erfrischend und belebend. Und hilft mir auch einen Charakter wie Heydrich wieder abzuschütteln und aus meinem Kopf zu verbannen. Das Spielen mit der Band ist ein sehr physisches Erlebnis. Die Beats der 'Elektrohand Gottes' und die Sprache Schillers gehen da immer wie Stromschläge durch meinen Körper ..."
Von der einen Bühne zur anderen - und zwar ins Fotostudio. Wie ist es mit Rafaela Pröll zusammen zu arbeiten?
Philipp Hochmair: "Rafaela Pröll ist sehr experimentierfreudig, flexibel und gleichzeitig sehr fokussiert. Für mich war das prägendste Erlebnis das Shooting für das Cover meiner Doppel-LP 'Jedermann Reloaded'. Da hat sie im letzten Moment, als wir schon abgebaut haben, das perfekte Bild eingefangen. Das bin ganz ich und ganz die Rolle von Jedermann gleichzeitig."
Wie ist es für Sie einmal als Model vor der Kamera zu stehen? Ist es für Sie schwieriger - im Gegensatz zu Bühne und Film - hier die gewünschte Emotion zu vermitteln?
Philipp Hochmair: "Im Gegenteil, es ist leichter... Dafür muss ich keinen Text lernen..." (lacht)
Ein Thema, das wir Sie in unserer Tätigkeit als L'Officiel Austria Modemagazin natürlich fragen müssen: Welchen Anteil hat Mode bzw. die Garderobe bei der Entwicklung Ihrer Rollen?
Philipp Hochmair: "Einen sehr wichtigen Anteil! Vielleicht sogar den wichtigsten. Die Kleidung bzw. der Mut modisch zu sein oder die Verweigerung von Mode, gibt mir die Haltung vor, aus der heraus eine neue Rolle entsteht."
Welche Modemarken findet man bei Philipp Hochmair im Schrank und von welchen sollte es noch mehr geben?
Philipp Hochmair: "Viele Outfits stammen direkt von meinen Filmen. Oft kaufe ich Kostümteile nach Drehschluss, die mir gefallen haben bzw. zu denen ich über die Rolle einen Bezug aufgebaut habe. Mit dem Runway-Outfit von Louis Vuitton ist mir in gewisser Weise wieder ein ganz neues Rollenbild verpasst worden. Das könnte ich gut beim nächsten Auftritt mit Kurt Razelli tragen! [13.5.2022 im Stadtsaal in Wien zu sehen, Anm.] Ich mag jede Form von Cross-over-Experimenten: Kombinationen aus Kleidern die nicht unbedingt gleich zusammenpassen. Mode ist immer ein kreatives Ausdrucksmittel, wahrscheinlich das unmittelbarste und direkteste, das uns zur Verfügung steht."
Ihr persönliches Lieblingsteil, das Sie gerade besonders schätzen?
Philipp Hochmair: "Ein oranger Ganzkörper-Sicherheitsanzug mit Leuchtstreifen, den in der Regel Bauarbeiter tragen. Ich ziehe ihn als Performer für Schiller Balladen Rave an. Und ich liebe es damit im gediegenen, ehrwürdigen Burgtheater zu der lyrischen Sprache von Friedrich Schiller einen harten Kontrast zu setzen."
Team Credits:
Fotografie: Rafaela Pröll
Styling: Rike Hemedinger
Make-Up: Nico Pessl-Jaritz