Neue Blickwinkel: FJ Baur X Sandro Kopp
Der „Pop-Kultur- und Balance- Mensch“ FJ Baur spielt in seinen oft avantgardistisch anmutenden Werken mit Mode, Struktur, Haptik und nicht zuletzt der Erwartung seines Publikums. Überdimensionale Seifenblasen, kunstvoll gestaltete Büsten und strahlend-bunte Strickobjekte lassen in andere Welten eintauchen und erwecken eine gewisse Surrealität, die dennoch stets zugänglich und unverkennbar positiv bleibt. Ob im Rahmen der Miami Art Week im Dezember 2019, in der oberösterreichischen Galerie Schloss Parz oder bei einem Shooting im Wiener Semper Depot – es ist schlussendlich die Abstraktion Baurs Kunst, die nicht passen will und muss, die sie trotz allem stets an jedem Ort ankommen lässt.
Kunst oder Kommerz
Auf die Frage, ob Mode immer auch Kunst ist, bezieht er sich auf Thierry Mugler, Alexander McQueen, John Galliano und die heutzutage fast in Vergessenheit geratene Modeschöpferin Rose Bertin, die im Frankreich des 18. Jahrhunderts mit ihren extravaganten Entwürfen den Fashion-Ton angab. Ihre Werke empfindet Baur eindeutig als Kunst, „vom Moment der Entstehung bis zur Präsentation“ – ein Anspruch, der an Alltagsmode jedoch auch nicht gestellt zu werden braucht. Doch nicht nur das Design per se macht für FJ Baur das Kunstwerk aus, sondern auch die Person, die es trägt: „Daphne Guinness, Peggy Guggenheim oder auch die Anfangszeiten von Lady Gaga – nichts Schöneres, als im richtigen Licht, mit der richtigen Attitüde präsentiert zu werden“. Diese Form der Inszenierung vergleicht er im nächsten Augenblick mit der Wahl der Gemäldehängung in Museen sowie des Lichts und der Räumlichkeit.
Nah und fern
Räumlichkeit ist ein Thema, mit dem sich auch Sandro Kopp intensiv beschäftigt. Erste Bekanntheit gewann er unter anderem mit seiner außergewöhnlichen Reihe an „Skype Portraits“ (2008-2012), bei denen bekannte Größen der Kunst- und Kulturszene zu seinen Modellen zählten: Wes Anderson, R.E.M-Sänger Michael Stipe, James Meek sowie die Schauspieler Frances McDormand, John C. Reilly, Waris Ahluwalia und Tilda Swinton. Dabei arbeitete Kopp nicht nur mit der Spannung zwischen Distanz und Nähe, sondern auch mit Fläche und Dimension – jegliche Bewegung fungiert in diesen Arbeiten als eine Art Surrogat für die fehlende „Live“-Dreidimensionalität. Die (Un-)Zuverlässlichkeit der Technik gibt ihnen eine weitere Ebene: Einige Bilder werden aufgrunddessen bis zur Unkenntlichkeit verpixelt und gewinnen dadurch eine beinahe impressionistische Qualität.
Hintergrundgedanken
Kopp beschäftigt sich mit einem breiten Spektrum der Malerei – von Rembrandt über Lisa Yuskavage findet er immer wieder neue spannende Ansätze, die ihn begeistern können. Vor allem Lucian Freud und David Hockney haben ihn als Künstler geprägt, nicht zuletzt auch wegen Hockneys Grundgedanken, dass man nicht nur physisch sieht, sondern auch psychologisch. Somit fließt mehr als nur die reine Betrachtung in ein Portrait: „Wenn man einen Menschen, den man kennt und liebt, ansieht, hat er automatisch eine andere Schönheit“. Dieser Zugang ist in Kopps Arbeiten deutlich spürbar. Die Augen, die sich auf der Kleidskulptur wiederfinden, entstammen ursprünglich einer umfangreichen Serie, die vergangenes Jahr erfolgreich unter dem Titel „Meyecelium“ im venezianischen Palazzo Grimani ausgestellt wurde.
Detailaufnahme
Jedes einzelne Auge gehört zu einem Freund oder Familienmitglied und wurde von Sandro Kopp live gemalt. Die Location spielt für ihn eine wichtige Rolle, es ist eine „Momentaufnahme von der Verbindung mit der Person, aber auch mit dem Ort“. Viele entstanden auf Reisen, wobei beliebige Räume und Gärten sowie Londons Regent’s Park und Soho House als Pop-up-Studios genutzt wurden. Dieser Ansatz lässt die Augen zu einem noch markanteren Merkmal werden. Bei genauerer Betrachtung spiegelt sich zum Teil der Künstler selbst oder die unmittelbare Umgebung in der Iris wider: „Wenn man sich die Zeit nimmt in jedes Auge zu gucken, sind sie wie kleine Fenster in unterschiedliche Atmosphären.“
Gemeinsamer Nenner
So unterschiedlich FJ Baurs und Sandro Kopps Zugänge und Umsetzungen auch sind, so harmonisch verlief ihre Kollaboration. Ihren Anfang nahm sie mit FJ Baurs künstlerischem Interesse an Kopps Arbeiten, er war „von Anfang an fasziniert an seinem interessanten Spagat der klassischen Malerei und den Einbau neuer Medien“. Ein erstes Kennenlernen musste jedoch noch etwas auf sich warten lassen, da Baur zu dem Zeitpunkt bereits oft zwischen Marbella und Wien pendelte und Kopp seit längerem in einem kleinen Ort in Schottland lebt. Schließlich traf man sich in Wien, wo im Laufe eines entspannten Abends, der von gemeinsamem Kochen, Gesprächen über Kindheitsidole und der geteilten Liebe zu Nagellack geprägt war, die ersten Pläne und Gedanken zu ihrer Zusammenarbeit entstanden. Was folgte, war ein „spannender Prozess“, der Großteils über Whatsapp geführt wurde, da sich die Form des Kleides von Beginn bis Fertigstellung je nach Augenportrait und Setzung des Bildes laufend ändern konnte. Eines der Augen ist übrigens jenes von FJ Baur, der somit selbst in der Skulptur verewigt ist.
Neue Form des kreativen Prozesses
In Zeiten von Social Distancing und permanentem Abstand-Halten ist eine Kollaboration wie diese umso wichtiger und aussagekräftiger, da sie zeigt, dass auch auf Distanz Großartiges entstehen kann. Oder wie es FJ Baur abschließend so nett ausdrückt: „Das Kleid zeigt für mich, wie wundervoll es sein kann, zusammen zu arbeiten. Was Schönes entsteht, auch wenn nicht immer die räumliche Nähe gegeben ist.“
Credits:
Foto: Hilde Van Mas
Produktion: Christoph Steiner
Model: Kamilla @Stella Models
Foto-Assistenz: Flora Mayrhofer
Location: f6 – The Open Factory