Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl
Wer in den letzten Monaten das Kunsthaus Bregenz betreten hat, landete in einem Eismeer. Mit großen blauen Eisschollen, Kristalllüstern und Spiegeln, die den Horizont veranschaulichen, haben die Wiener Künstler*innen Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl das Erdgeschoss des Museums in eine begehbare Installation verwandelt.
Die raumfüllende, bühnenhafte Landschaft trägt den Titel “Die gescheiterte Hoffnung”, eine Anlehnung an Caspar David Friedrichs berühmtes Gemälde “Das Eismeer” von 1823/24. Darauf zeigt der Künstler ein zerborstenes Eismeer mit einem in weiter Ferne liegenden gekenterten Schiff. Fälschlicherweise wurde das Bild lange als “Gescheiterte Hoffnung” tituliert, weil es in der Zeit der Restauration entstand und zum Ausdruck der zerborstenen Hoffnung auf politische Neuerung wurde. Im Kunsthaus Bregenz übersetzten Knebl und Scheirl das Werk als Installation in den Raum und stellen Parallelen mit der aktuellen Situation des Lockdowns her.
Auch heute wird das öffentliche soziale Leben reduziert und in den privaten Raum gedrängt. Wir blicken in eine ungewisse Zukunft. Das gekenterte Schiff aus dem Original-Bild wird dabei ersetzt durch blaue, gekippte Vintage-Sofas. Manchmal schneit es auch von oben und Flugblätter aus der repressiven Zeit des Vormärz fliegen herum. In einem die Ausstellung begleitenden Text der Künstler*innen heißt es: “Von einer plötzlich eintretenden dystopischen Realität erschüttert, muss sich die Gesellschaft neu erfinden.”
Die Ausstellung mit dem Titel “Seasonal Greetings” im Kunsthaus Bregenz markiert die bisher größte Ausstellung des queeren Duos. Seit 2018 entwickeln Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl gemeinsam Projekte, sie arbeiten aber auch solo. Dabei geht es meist um das Hinterfragen von gesellschaftlichen Konventionen und Zuschreibungen in Bezug auf Genderidentität, Genres, Materialitäten, Techniken, Raum und Kontext. 2019 verhüllten sie unter anderem den Wiener Rathausturm mit einem 70 Meter hohen Kunstwerk, bestehend aus zwei ganz in rot gehaltenen menschlichen Silhouetten. Ein Sinnbild für den spielerischen Umgang mit Uneindeutigkeiten und körperlicher Andersartigkeit.
Ein großes Highlight wird 2022 folgen: dann nämlich werden die Künstler*innen den österreichischen Pavillon der 59. Kunstbiennale von Venedig mit ihrem spielerischen Mix aus Malerei, Textilien, Fotografie und Performances bespielen. Kuratiert wird der Pavilllon von Karola Kraus, Direktorin des Museums moderner Kunst Stiftung Ludwig (Mumok) in Wien. Der Arbeitstitel ihres Werks für die Biennale lautet “Invitation of the soft machine and the angry body parts” und es soll unter anderem um Grenzüberschreitungen gehen. Auch um die physischen: die Präsentation in Venedig soll nämlich zu bestimmten Zeiten auch in ein "Virtual-Reality-Café" in Wien übertragen werden.
Die Kunstbiennale von Venedig findet von 22. April bis 27. November 2022 statt.