Wenn die Modebranche feministisch wird
Feminismus ist heute trendy.
Daher reitet die Mode auf der Welle, sympathisiert mit der Metoo-Bewegung und bringt T-Shirts heraus, die die globale Schwesternschaft preisen. So sehr, dass eine der Modeschauen von Chanel - genauer gesagt die Frühjahr-Sommer-Schau 2015 - eine Ode an den Feminismus und die Frauenrechte war. Wenn wir vor dem Kleiderschrank stehen, gibt es so viele Dinge, die wir für selbstverständlich halten. Es gibt Kleidungsstücke, die wir heute ganz normal tragen, die aber lange Zeit verboten waren - wenn nicht sogar als gesellschaftliches Tabu galten. Es ist kein Geheimnis, dass Kleidung Hand in Hand mit Selbstdarstellung geht. Seit Jahrzehnten nutzen die Menschen die Mode als Mittel der Kommunikation. Die Kleidung, die wir tragen, kann dazu dienen, eine Geschichte zu erzählen, Werte und Ideale zu vermitteln oder politische Solidarität auszudrücken.
Auch wenn wir das heute gerne vergessen, so profitieren wir doch von den jahrhundertelangen Kämpfen um die Befreiung des weiblichen Körpers aus seinen Käfigen und Aufbauten, die von einer von Männern geführten Welt diktiert wurden. Mehrmals in der Geschichte hat die Mode die neue gesellschaftliche Rolle der Frau bestätigt und ihren Wunsch nach Emanzipation und Unabhängigkeit bekräftigt. Von den Flappers, die buchstäblich mit der Vergangenheit brachen, bis hin zu den Unisex-Modellen, die den Weg für die Gender-Revolution ebneten.
Der Garçonne-Schnitt
Heute tragen viele Frauen einen Kurzhaarschnitt. Aber bis zum Aufkommen der Flappers in den 1920er Jahren wäre es völlig unvorstellbar gewesen, auf sein Haar zu verzichten. Die Haare galten schon immer als oberste Waffe der Verführung (deshalb trugen verheiratete Frauen ihr Haar immer hochgesteckt und den Kopf bedeckt). Bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs trugen die Menschen ihr Haar lang und - tagsüber - zu geschwollenen Frisuren gestylt. Während des Ersten Weltkriegs ändern sich die Dinge radikal. Man hat keine Zeit, stundenlang vor dem Spiegel zu stehen, und pompöse Toilettenartikel erscheinen plötzlich demodé.
In diesem Kontext brachten die ersten Flappers den Schnitt à la garçonne auf den Markt und forderten damit die tausendjährige Identifikation der Frauen mit ihrem langen, gekämmten Haar heraus. Die Frauen hatten gerade das Wahlrecht errungen - zumindest in den USA und England - und forderten ihren Platz in der Gesellschaft ein. Die zerbrechlichen Puppen der Belle Epoque gehören der Vergangenheit an: Die Frau von heute ist agil, funktional. Ohne Bustiers und Rüschen.
Die Hosen
Während des Zweiten Weltkriegs mussten die Frauen im übertragenen und im wörtlichen Sinne die Hosen anhaben.
Während die Männer an der Front beschäftigt sind, sind sie die Einzigen, die das zivile Leben führen, die Kriegsanstrengungen und das häusliche Leben unterstützen. Ebenso viele Mädchen arbeiteten in Fabriken und ebenso viele in Berufen, die bis dahin als ausschließlich männlich galten. Oft ist der Overall eine einfache Notwendigkeit.
Wenn der Krieg vorbei ist, wird die Mode zwar wieder frivol werden. Dior wird weite Röcke und sogar Taillenmieder wieder einführen. Aber die Hosen haben sich mit der Bestätigung der Entwürfe von Coco Chanel einen Platz in den Kleiderschränken der Frauen erobert. Die Frauen werden nicht mehr bereit sein, auf sie zu verzichten, in manchen Fällen sogar unter Missachtung des Gesetzes. In Paris zum Beispiel wurde die Verordnung, die Frauen das Tragen von Hosen auf der Straße verbot, erst 2013 aufgehoben.
Der Minirock
Kann ein unverschämt sexy Kleidungsstück auch feminin sein?
Die Antwort ist ja, und der Minirock ist hier, um es zu beweisen.
Der Anfang der 1960er Jahre in London geborene Mini von Mary Quaint ist die modische Version der sexuellen Befreiungsbewegung, die um '68 herum aufblühte. Die Freiheit, mit seinem Körper zu machen, was man will, ist der rote Faden, der Mode und Kostüm miteinander verbindet.
Der Minirock ist die Uniform der neuen Generation der "Babyboomer", die in diesen Jahren die Gesellschaft revolutioniert. Die jungen Leute der 1960er Jahre stellen die bürgerliche Mentalität offen in Frage. Und die Mädchen, die an die Universität oder ins Berufsleben eintreten und sich weigern, sich nur als Ehefrauen und Mütter zu sehen, werden immer zahlreicher. Der Mini repräsentiert diese neuen Frauen perfekt. Feminin, jung, unabhängig. Sie sind Herr über sich selbst und ihren Körper.
Der Minirock war auch ein umstrittenes Kleidungsstück, was seine Berühmtheit natürlich nur noch gesteigert hat. Seit seinem Debüt gab es unzählige Versuche, ihn zu verbieten: Noch heute kann man in den Zeitungen über einige Institutionen lesen, die ihn aus den Schulen verbannen wollen. Einige Feministinnen haben den Minirock außerdem als "chauvinistisch" verurteilt, weil er ein sexualisiertes Frauenbild fördern würde.
Kurz gesagt, ob man ihn liebt oder hasst, der Mini sorgt auch heute noch für Diskussionen.
Das Unisex
Seit Ende der 1960er Jahre beginnen sich die Geschlechter in der Mode anzunähern. In der Männermode kehren Farben und Drucke zurück.
In der Damenmode hingegen experimentieren Designer wie Yves Saint Laurent mit androgyner Inspiration. Sie kleiden Frauen in Hosenanzüge, Smoking-Blazer und Kleidungsstücke, die sie aus seiner Garderobe gestohlen haben: Das Männliche nähert sich dem Weiblichen und umgekehrt: Die Grenzen zwischen den Geschlechtern verschwimmen zunehmend.
Von der Arbeitskleidung inspirierte Jumpsuits und Latzhosen, die wichtigsten Kleidungsstücke dieses Trends, sind jetzt wieder in großem Stil in Mode, präsentiert von Designern wie Harris Reed und Comme des Garçons.
Heute
Die Modewelt beruht auf einem Vorurteil und einem Paradoxon: Früher waren es Männer, die über die Kleiderordnung für Frauen entschieden. Doch heute scheint sich der Trend zu ändern: Der Beweis dafür sind die vielen Namen von Frauen an der Spitze von Maisons wie Chanel, Alexander McQueen, Givenchy und Dior. Von Maria Grazia Chiuri, die 2016 ihr Debüt bei Dior gab, bis hin zu Clare Weight Keller, die im darauffolgenden Jahr die Leitung von Givenchy übernahm.
Oberflächlich betrachtet scheint sich die Mode langsam aber sicher in eine Richtung zu bewegen, die die Gleichstellung der Geschlechter begünstigt, aber ist es wirklich so, wie es den Anschein hat?