Kenneth Ize: Aufbruch In Eine Neue (Mode-) Welt
Naomi Campbell ist bei Ihrem Debüt auf der Pariser Modewoche gelaufen – was für ein Auftakt!
Ja, absolut! Schon während meiner Zeit auf der Angewandten in Wien habe ich mich voll auf den digitalen Bereich konzentriert und mit Instagram experimentiert. So konnte ich viele Kontakte aufbauen und habe mein Netzwerk dann durch viele Reisen immer weiter ausgebaut. Was mir dabei auch sehr geholfen hat, war meine Arbeit bei der Marke Edun, dem Label von Bono und seiner Frau Ali Hewson. Dadurch kannten mich nämlich auch bereits einige Player in der Branche, als ich mich für den LVMH-Preis beworben habe. Naomi habe ich dann in Nigeria getroffen, als ich dort bei der Fashion Week meine Kollektion präsentiert habe.
Netzwerken scheint großen Anteil an Ihrem Erfolg zu haben?
Ich glaube an Zusammenhalt und Seilschaften – das liegt vor allem an meiner Herkunft. Ich stamme aus Nigeria, einem Entwicklungsland, bin in Linz aufgewachsen und habe in Wien studiert, das zwar im Herzen Europas liegt, aber keine Modemetropole ist... Es war mir also bewusst, dass vor allem ein länderübergreifendes Netzwerk helfen kann. Es waren auch die Leute von LVMH, die mich bei meiner Show in Paris unterstützt haben. Eine wirklich große Chance, um mich und meine Marke zu präsentieren, die meiner Meinung nach einen sehr individuellen Zugang hat.
Wie genau würden Sie denn Ihre Ästhetik beschreiben?
Bei meiner Marke geht es darum, eine Kultur zu erhalten, eine Identität zu bewahren, sie hat aber auch einen sehr pragmatischen Zugang. Mir geht es um Transparenz, Diversität und Inklusivität – darum, Menschen zusammenzubringen. Dabei ist sie sehr klassisch und zeitlos.
In Kombination mit Handwerk ist das meiner Ansicht nach der richtige Weg. Hauptsitz Ihrer Produktion und Ihrer Marke ist Nigeria?
Für mich ist es auch ein politisches Anliegen – deshalb bin ich nach Nigeria gezogen, das trotz Demokratie ein sehr korruptes Land ist. Durch die Schaung von Arbeitsplätzen und aufgrund der medialen Aufmerksamkeit kann hier viel erreicht werden.
Designer afrikanischer Herkunft sind auf dem internationalen Modeparkett noch immer sehr unterrepräsentiert...
Das war auch einer der Gründe, warum ich viel mit Medien zusammenarbeite – sie sind für mich eine wichtige Form der Repräsentation und der Information.
Absolut! Dank Ihrer Arbeit konnte man etwa viel über die traditionelle Aso-Oke-Technik erfahren!
Das ist eine jahrhundertealte Webtechnik aus Niger und Westafrika, die man in ähnlicher Form auch in Kenia oder auf den Philippinen findet. In Nigeria wird sie von dem Yoruba-Stamm von Hand hergestellt, die für einen Meter des Stoffs rund zwei Arbeitstage brauchen. Ein Handwerk, das übrigens beinahe ausgestorben ist.
Aber auch bestickter Krepp aus Österreich kommt zum Einsatz ...
Ja, er stammt aus Niederösterreich – eine sehr schöne Verbindung zwischen den beiden Ländern, die lange zurückreicht. Auf den Stomärkten in Lagos stammt ein Großteil der Spitze aus Österreich und auch meine Mutter hat dort geordert. Für mich hat es also auch eine ganz persönliche Komponente, weil es Erinnerungen weckt. Ich kann mich sehr glücklich schätzen, dass ich hier zwei Kulturen als Background habe und von beiden inspiriert werde.
Welche anderen Stilmittel, die Sie einsetzen, sind denn typisch österreichisch?
Wien inspiriert mich sehr – es ist märchenhaft! Diese Eleganz und dieser romantische Intellekt sind definitiv in meinen Kollektionen spürbar, und das ist etwas, das ich weitertrage.
Mir würde da noch ein Detail einfallen: Bei Ihrer Show haben Sie auch mit dem Wiener Label Sagan Vienna zusammengearbeitet?
Ich habe mein Studium begonnen, als Taro und Tanja (Gründer und Designer von Sagan Vienna, Anm. d. Red.) gerade ihren Abschluss gemacht haben. Dort haben wir uns kennengelernt, und es hat sich eine Freundschaft entwickelt. Für meine Show wollte ich dann etwas Neues machen und die Stoffe über ihre bisherige Verwendung einsetzen. So hat sich das entwickelt, und es hat sich ein sehr natürlicher Zugang entwickelt, wie man deren klassischen Designs für meine Marke adaptieren kann.
Ein weiterer neuer Zugang ist, dass Sie Herren- und Damenmode gemeinsam gezeigt haben – muss die Mode die Geschlechterrollen generell überdenken?
Das muss man ein wenig dierenzierter sehen – ich habe ursprünglich mit Herrenmode angefangen und eigentlich noch nie zuvor Damenmode designt. Aber es gab immer eine spielerische Note, die man wohl sonst eher bei Womenswear findet, aber es geht hier darum, Elemente zu finden, die einem gefallen und sie einzusetzen, ganz unabhängig von gesellschaftlichen Normen. Als schwuler Mann spielt hier auch immer meine eigene Identität mit – was möchte ich tragen, wie will ich auftreten... Ich habe in jedem Fall sehr schnell gemerkt, dass auch viele Frauen sich davon angesprochen fühlen.
Das bringt uns auch weiter zur Inklusioneinem Ihrer Kernwerte: Trotzdem machen Sie Luxusmode, die als solches ja das Konzept der Exklusivität verfolgt?
Es ist schon richtig, dass die Mode sehr kapitalistisch ist – daran führt kein Weg vorbei. Aber meine Definition von Luxus ist eine andere: Es geht darum, wie und unter welchen Umständen etwas hergestellt wird. Darum sollte es eigentlich gehen, nicht um den Preis.