Roter Teppich für Talente: Modefestival Hyères feiert 2021 "Offline"-Comeback
Von Festival-Gründer Jean-Pierre Blanc ins Leben gerufen, ist das Modefestival in seinem 36. Jahr relevanter denn je. Die großen der Branche, die sich sonst nur in Paris oder Mailand die Klinke in die Hand geben, treffen sich hier, in der Villa Noailles. Einem beeindruckenden Gebäude aus den 1920er Jahren, die vom Pariser Ehepaar Charles und Marie-Laure de Noailles zusammen mit Architekt Robert Mallet-Stevens erbaut wurde, diente als Wintersitz im sonnigen Süden für die einstigen Besitzer.
Ihr Pilgerzug hat heute die gleiche Anziehungskraft auf das Modevolk, das sich hier vor der nüchternen, modernen Fassade ihre eigene Kulisse schafft. Und das mit einem vielfältigen Rahmenprogramm, das sich vor allem um eines dreht: Die Preisverleihung des "Grand Prix" der Jury - jenem Preis, der in der Vergangenheit schon die Flugbahn einiger Karrieren veränderte und Namen in das Firmament des Modehimmels schrieb.
Damit man die Bedeutung von Hyères noch unterstreicht, braucht man nur die Modehäuser aufzählen, die sich jedes Jahr mit Preisgeldern und Talentförderung einbringen. Da wäre zum Beispiel CHANEL, die einen Preis in der Höhe von 20.000 Euro stiften, im Vorfeld bereits mit den geshortlisteten DesignerInnen an den Designs arbeiten. Chloé steuerte ebenfalls einen Preis bei, der in der Interpretation der Marke durch ein Modell der TeilnehmerInnen präsentiert werden soll.
Zum ersten Mal engagierte sich Mercedes-Benz mit einem Sustainability Award, der auf dem Mentoring-Programm des Automobilherstellers für die FinalistInnen des letztjährigen Modefestivals von Hyères aufbaut und zusammen mit Fashion Open Studio durchgeführt wurde. Dabei stellte man den Shortlist-KandidatInnen einen eigens designten Pavillon zur Verfügung.
Und dann wäre da auch noch Hermès, die in der Accessoire-Kategorie ihre Expertise mitmischen. Schuh-Maestro Christian Louboutin wurde dieses Jahr für den Vorsitz der Jury für diese Sparte gewonnen. Die diesjährige Gewinnerin der Kategorie - Capucine Huguet - zeichnete sich für eine Kollektion verantwortlich, die auf den Klimanotstand hinweist und an das Schmelzen von Gletschern erinnert.
Christian Louboutin im Park, Chanel, Chloé, Hermès und Mercedes-Benz in der Talentförderung
Christian Louboutin gab auch gleich eine Masterclass, während, wie in einer idyllischen Reproduktion eines Modetraums, unweit des Masterclass-Zeltes Nähmaschinen ratterten, die Portraits der Besucher in Stoff stickten, Sonntagabend gab die derzeit einflussreichste, französische Chanteuse Yseult, die mit ihrer Single "Corps" 2020 Frankreich in Aufruhr versetzte, ein Konzert. Es ist der Hyères-Faktor, der Name, der sich in den letzten Jahrzehnten abseits des Moderummels der Metropolen etablierte.
Die Villa Noailles als Epizentrum der Showrooms und Ausstellungsflächen für den Fotografie-Wettbewerb (2021 an Sergei Pavlov vergeben), öffnet seine Türen und hält sich nicht an exklusives Hierarchie-Getue. Auf den engen Parkwegen wäre dazu auch gar kein Platz.
Doch bleiben wir beim Wesentlichen: Den DesignerInnen, die sich in Hyères 2021 um die verschiedenen Preise der Jury - und des Publikums - duellierten.
Aus hunderten Einsendungen, die jedes Jahr das Festival-Komitee erreichen, auf die Shortlist gesetzt zu werden, ist bereits eine Auszeichnung an sich. In den letzten Jahren haben es auch die Österreicher Christoph Rumpf und Maximilian Rittler geschafft. Ersterer durfte sich 2019 sogar über eine Auszeichnung freuen und mit Chanel arbeiten. 2021 waren neben Finnland und Litauen, Kolumbien, Taiwan, Schweiz, Großbritannien und Thailand vertreten, die mit unterschiedlichsten Design-Ansätze und Perspektiven.
Als Gewinner des Mode-"Grand Prix" 2021 konnte sich Ifeanyi Okwuadi durchsetzen. Der 27-jährige Designer mit afrikanischen Wurzeln, flocht die Fäden der Jugendbewegungen in London geschickt zusammen und zeigte eine Kollektion, die vor Referenzen nur so strotzt. Okwuadi, der in der Savile Row (wie übrigens auch ein gewisser Alexander McQueen) und an der Central St. Martins sein Handwerk in Herrenmode lernte, überzeugte die Jury mit einer Mischung aus dekonstruierten Schul-Uniformen, wie Strick-Pullovern mit V-Ausschnitt oder Spielzeugautos als Broschen.
Hyères: Eine kleine Stadt, die Modekarrieren formte
Seit seiner Gründung 1986, hat Jean-Pierre Blanc sein International Festival for Fashion and Photography fest in der Hand. Kein Wunder, schließlich blickt man stets mit Argusaugen auf den GewinnerInnen der Kategorien, die sich schon in den letzten Jahrzehnten als vielversprechende Design-Talente erwiesen. Nennen es manche "Frankreichs berühmtestes Nischen-Festival", sind die Gewinner-Namen gar nicht so "Nische", wie man vermuten würde. Als Juroren konnte man Karl Lagerfeld, Martin Margiela oder Haider Ackermann bereits gewinnen, die Gewinner, wie Viktor & Rolf oder Anthony Vaccarello kürten. In diesem Jahr war es Lacoste's Art Directrice Louis Trotter.
Die Shortlist & GewinnerInnen des International Festival of Fashion & Photography 2021 von Hyères in der Mode-Kategorie
- Sofia Ilmonen, Finnland (Gewinnerin "Sustainability Award" by Mercedes-Benz)
- Arttu Åfeldt, Finnland
- Rukpong Raimaturapong, Thailand, Gewinner ("Prix Chanel Métiers d'Art")
- Venla Elonsalo, Finnland
- Elina Salina, Lettland (Gewinnerin "Prix Chloé")
- Meteo Velasquez, Kolumbien
- Mengche Chiang, Taiwan
- Ifeanyi Okwuadi, Großbritannien (Gewinner "Grand Prix du Jury Première Vision")
- Adeline Rappaz, Schweiz (Gewinnerin "Prix du Public, Ville d'Hyères")
- Laima Jurca & Marta Veiberga, Lettland