Tosca: Die Salzburger Festspiele und eine glanzvolle Premiere
Eine der Premieren, die Salzburg zur glamourösen Festspielstadt machen, wird 2021 Tosca sein. Die Oper von Giacomo Puccini ist mit seinem Plot auch im neuen Jahrtausend aktueller denn je, wie Kostümbildnerin Renate Martin erzählt. L'Officiel Austria hat die Modekünstlerin zum Interview gebeten.
Wie kann man die Essenz der Persönlichkeit von Tosca mit ihrer Garderobe unterstreichen?
Renate Martin: "Floria Tosca ist eine emanzipierte, unabhängige aber an sich unpolitische Frau, eine berühmte Opernsängerin, die nur durch ihre Liebe zu dem oppositionellen bildenden Künstler Cavaradossi in dessen politischen Kampf gegen das herrschende Regime verwickelt wird. Wir erleben sie in drei sehr unterschiedlichen Situationen, im eleganten Mantel in einer barocken Kirche, später im prächtigen Palazzo Farnese, wo sie nach ihrem Konzert im großen Abendkleid direkt von der Bühne kommt und zuletzt in Hosen und Lederjacke, um mit ihrem Geliebten zu flüchten. Ihre Garderobe unterstreicht ihre gesellschaftliche Stellung als Opernstar, dem jeweiligen Anlass geschuldeter privater und öffentlicher Kleidung."
Gibt es einen "Tosca-Stil"?
Renate Martin: "Das rote Abendkleid im zweiten Akt ist hier in Salzburg in gewisser Weise fast vergleichbar mit dem Kleid der Buhlschaft im Jedermann, es soll je nach der zeitlichen Definition der Inszenierung eine besonders attraktive Frau im Zentrum der Aufmerksamkeit festlich und eindrucksvoll kleiden, auf eine selbstbewusste und autonome Weise, die ihre Schönheit zur Geltung bringt, ohne sich damit dem männlichen Blick anzubiedern. Das kann in verschiedenen szenischen Setzungen sehr unterschiedliche Ergebnisse haben, sollte aber den Stil der interpretierenden Sängerin miteinbeziehen."
Bereits der Maler Adolfo Hohenstein malte 1899 einen Kostümentwurf für Tosca. Als eine der größten, weiblichen Figuren der Oper sind dementsprechend schon viele Kostüme für sie erdacht worden. Gab es eine neue Nuance der Interpretation, die man hier im Kostümbild beisteuern wollte?
Renate Martin: "Die Inszenierung, die Regisseur Michael Sturminger, meine Kollege Andreas Donhauser und ich konzipiert haben, spielt im Italien des endenden zwanzigsten Jahrhunderts. Wir zeigen eine Gesellschaft in der mafiöse Machenschaften bis in die höchsten Kreise von Staat und Kirche reichen, Erpressung und politische Unterdrückung herrschen. Tosca begreift diese Realität erst, wenn es schon fast zu spät ist, sie wird aus ihrer privaten Welt mit der finsteren Seite der Macht konfrontiert, von der sie auch durch ihren Beruf abhängig ist. Diese zeitliche Setzung haben wir gewählt, weil wir denken, dass, obwohl Puccinis Handlung im Napoleonischen Krieg spielt, Macht und Korruption, Erpressung und sexuelle Nötigung, Folter und Mord leider auch in unserer Gegenwart noch stattfinden. Diese Entscheidung ist natürlich zentral für das Kostümbild."
Wie ändern sich im Laufe der Oper die Looks und wie erzählen sie Toscas Geschichte "mit"?
Renate Martin: "Wir begleiten eine Frau von heute durch diesen schrecklichen Tag, wir zeigen, dass die Geschichte dieser Frau zu jeder Zeit stattfinden kann und dass Macht, Religion und Erziehung in rein männlicher Hand immer mit sexueller Unterdrückung und Nötigung von Frauen und Kindern einhergehen."
Die Veredelung der Roben wurde von Swarovski zur Verfügung gestellt. Das ist doch sicher der Traum eines jeden Kostümdesigners bzw. Kostümdesignerin, oder?
Renate Martin: "Ich habe in den vergangenen Jahren schon beim Kostümbild des Jedermann mit Swarovski-Kristallen gearbeitet und sehr schöne Ergebnisse erzielt. Das Spiel der Kristalle macht das Kostüm lebendig und glamourös. Für das Konzertkleid der Tosca von Anna Netrebko habe ich einen dunkelroten Seidensatin gewählt, auf dem die Kristalle nach dem Muster der zuletzt darüber gelegten, feinen französischen schwarzen Spitze appliziert wurden. Das Design des Kleides ist schlicht und körperbetont, aber das Zusammenspiel der drei Layer von Stoff, Kristall und Spitze macht den Entwurf so wirkungsvoll."
Welches Outfit ist Ihr persönlicher Favorit?
Renate Martin: "Die drei unterschiedlichen Kostüme zeigen Tosca in sehr verschiedenen Situationen. Gemeinsam zeichnen sie das Bild dieser faszinierenden Figur in der Konfrontation mit einer brutalen Männerwelt. Das Konzertkleid ist als Bühnenkostüm im Stück sicherlich mit dem größten Aufwand von Entwurfsarbeit, Stoffauswahl und Anfertigung entstanden, zusammen mit den beiden alltäglicheren Kostümen der Tosca entwickelt sich das Bild dieser Frau zu unserer Interpretation ihrer Geschichte."
Fotos: Thomas Steinlechner